Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersuchen um Vorabentscheidung: Kriminalretten i Frederikshavn – Dänemark. Freier Warenverkehr. Mengenmässige Beschränkungen. Maßnahmen gleicher Wirkung. Begriff. Verbot der Haltung bestimmter Tierarten in einem Teil des nationalen Hoheitsgebiets. Ausnahmen. Schutz der Gesundheit von Tieren. Erhaltung der biologischen Vielfalt. Verbot, auf einer Insel andere Arten von Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) zu halten. Zulässigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1 Eine nationale Regelung, die es verbietet, in einem Teil des nationalen Hoheitsgebiets bestimmte Tierarten zu halten und sie dorthin einzuführen, stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne des Artikels 30 EG-Vertrag dar.

Eine solche Regelung, die sich auf die Eigenschaften der betreffenden Tierarten selbst bezieht, kann nicht als eine Regelung über Verkaufsmodalitäten angesehen werden. Sie hat im übrigen eine unmittelbare und sofortige Auswirkung auf den Handel und keine zu ungewissen und mittelbaren Wirkungen, als daß die in ihr vorgesehene Verpflichtung nicht als Hemmnis für den Handel zwischen Mitgliedstaaten angesehen werden könnte.

2 Eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, ist als nach Artikel 36 EG-Vertrag durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt anzusehen.

Die Maßnahmen zur Erhaltung einer einheimischen Tierpopulation, die Merkmale aufweist, die sie von anderen unterscheidet, tragen dazu bei, die biologische Vielfalt zu bewahren, indem sie das Fortbestehen der betreffenden Population gewährleisten, und bezwecken damit, das Leben dieser Tiere zu schützen.

Im Hinblick auf diese Erhaltung der biologischen Vielfalt ist es unerheblich, ob es sich bei dem Schutzobjekt um eine eigene Unterart, eine unterschiedliche Rasse innerhalb einer Art oder um einen einfachen lokalen Stamm handelt, soweit es sich um Populationen handelt, die Merkmale aufweisen, die sie von anderen unterscheiden und die folglich als schutzwürdig angesehen werden, sei es, um sie vor einer mehr oder weniger imminenten Gefahr des Aussterbens zu bewahren, sei es, wenn eine solche Gefahr nicht besteht, aus einem wissenschaftlichen oder anderen Interesse an der Erhaltung der reinen Population an dem betreffenden Ort.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 30, 36

 

Beteiligte

Bluhme

Ditlev Bluhme

 

Tenor

1. Eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne des Artikels 30 EG-Vertrag dar.

2. Eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, ist als nach Artikel 36 EG-Vertrag durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt anzusehen.

 

Gründe

1 Das Kriminalret Frederikshavn hat mit Beschluß vom 3. Juli 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Februar 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des Artikels 30 EG-Vertrag und des Artikels 2 der Richtlinie 91/174/EWG des Rates vom 25. März 1991 über zuechterische und genealogische Bedingungen für die Vermarktung reinrassiger Tiere und zur Änderung der Richtlinien 77/504/EWG und 90/425/EWG (ABl. L 85, S. 37; nachstehend: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Ditlev Bluhme, dem vorgeworfen wird, gegen die nationalen Rechtsvorschriften verstossen zu haben, nach denen das Halten von Bienen auf der Insel Läsö verboten ist, die nicht der Art Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) angehören.

3 Artikel 1 der Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten als ‚reinrassige Tiere’ alle von Anhang II des Vertrages erfassten Zuchttiere, für deren Vermarktung noch keine spezifischeren zuechterischen Gemeinschaftsvorschriften bestehen und die in einem Register oder Stammbuch, das von einer anerkannten Zuechterorganisation oder -vereinigung geführt wird, eingetragen oder registriert sind.”

4 Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß

  • die Vermarktung reinrassiger Tiere und ihres Samens, ihrer Eizellen oder Embryonen aus zuechterischen oder genealogischen Gründen weder untersagt noch eingeschränkt oder behindert wird;
  • die Kriterien für die Zulassung und die Anerkennung von Zuechterorganisationen oder -vereinigungen, die Kriterien für die Eintragung in die Register und Stammbücher, die Kriterien für die Zulassung reinrassiger Tiere zu Zuchtzwecken und die Verwendung ihres Samens, ihrer Eizellen oder Embryonen sowie die bei der Vermarktung ihres Samens, ihrer Eizellen oder Embryonen sowie die bei der Vermarktung dieser Tiere und Erzeugnisse vo...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge