Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Diskriminierungsverbot. Ungünstigere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten in Bezug auf ihre Beschäftigungsbedingungen. Verbot. Nationale Regelung, mit der für Teilzeitbeschäftigte eine längere maximal zulässige Dauer befristeter Arbeitsverhältnisse festgelegt wird als für Vollzeitbeschäftigte. Pro-rata-temporis-Grundsatz. Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Begriff der ‚mittelbaren Diskriminierung’. aufgrund des Geschlechts – Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen – Beweislast

 

Normenkette

Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit Paragraf 4; Richtlinie 2006/54/EG Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 Buchst. c, Art. 19

 

Beteiligte

Schuch-Ghannadan

Minoo Schuch-Ghannadan

Medizinische Universität Wien

 

Tenor

1. Paragraf 4 Nr. 1 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die für die befristet beschäftigten Arbeitnehmer, für die sie gilt, bei Teilzeitbeschäftigung eine längere maximal zulässige Dauer von Arbeitsverhältnissen festlegt als bei einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, entgegensteht, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt und steht in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Gründen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Paragraf 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit ist dahin auszulegen, dass derPro-rata-temporis-Grundsatz gemäß dieser Bestimmung bei einer solchen Regelung nicht zum Tragen kommt.

2. Die Bestimmung des Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die für die befristet beschäftigten Arbeitnehmer, für die sie gilt, bei Teilzeitbeschäftigung eine längere maximal zulässige Dauer von Arbeitsverhältnissen festlegt als bei einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, entgegensteht, wenn erwiesen ist, dass der prozentuale Anteil der benachteiligten weiblichen Beschäftigten signifikant höher ist als der der benachteiligten männlichen Beschäftigten, und die Regelung nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist oder die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nicht angemessen und erforderlich sind. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 ist dahin auszulegen, dass er von der Partei, die sich durch eine solche Diskriminierung für beschwert hält, nicht verlangt, dass sie, um den Anschein einer Diskriminierung glaubhaft zu machen, in Bezug auf die Arbeitnehmer, die von der nationalen Regelung betroffen sind, konkrete statistische Zahlen oder konkrete Tatsachen vorbringt, wenn sie zu solchen Zahlen oder Tatsachen keinen oder nur schwer Zugang hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbeits- und Sozialgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 19. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 23. April 2018, in dem Verfahren

Minoo Schuch-Ghannadan

gegen

Medizinische Universität Wien

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Richter F. Biltgen, J. Malenovský und C. G. Fernlund sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Schuch-Ghannadan, vertreten durch Rechtsanwalt A. Obereder,
  • der Medizinischen Universität Wien, vertreten durch Rechtsanwältin A. Potz,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und G. Hesse als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, A. Pimenta und S. Duarte Afonso als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek, T. S. Bohr und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Juni 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 4 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (im Folgenden: Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit) im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9) sowie die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlamen...

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