Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen eines Unionsbürgers. Ehe zwischen einem Unionsbürger und einem Drittstaatsangehörigen. Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts eines Drittstaatsangehörigen, der Opfer von Gewalthandlungen im häuslichen Bereich seitens seines Ehegatten wurde, im Scheidungsfall. Verpflichtung zum Nachweis ausreichender Existenzmittel. Fehlen einer solchen Verpflichtung in der Richtlinie 2003/86/EG. Gültigkeit. Gleichbehandlung. Ungleichbehandlung, je nachdem, ob der Zusammenführende Unionsbürger oder Drittstaatsangehöriger ist. Keine Vergleichbarkeit der Situationen

 

Normenkette

Richtlinie 2004/38/EG Art. 13 Abs. 2; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 20-21; Richtlinie 2003/86/EG

 

Beteiligte

Belgischer Staat

X

État belge

 

Tenor

Die Prüfung der Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, gemessen an Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, berühren könnte.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) mit Entscheidung vom 13. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Dezember 2019, in dem Verfahren

X

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, N. Piçarra und A. Kumin, der Richter M. Safjan, D. Šváby und S. Rodin, der Richterin K. Jürimäe, des Richters P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi sowie der Richter I. Jarukaitis und J. Passer,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von X, vertreten durch J. Wolsey und E. Didi, avocats,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck, M. Jacobs und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von E. Derriks, K. de Haes und G. van Witzenburg, avocats,
  • des Europäischen Parlaments, vertreten durch D. Warin und R. van de Westelaken als Bevollmächtigte,
  • des Rates der Europäischen Union, vertreten durch S. Boelaert und R. Meyer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga und E. Montaguti als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. März 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, mit Berichtigung ABl. 2004, L 229, S. 35), gemessen an den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen X und dem belgischen Staat wegen der Aufrechterhaltung seines Aufenthaltsrechts im belgischen Hoheitsgebiet.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2004/38

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 1 bis 3, 5, 10 und 15 der Richtlinie 2004/38 lauten:

„(1) Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im [AEU-]Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

(2) Die Freizügigkeit von Personen stellt eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts dar, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem diese Freiheit gemäß den Bestimmungen des [AEU-]Vertrags gewährleistet ist.

(3) Die Unionsbürgerschaft sollte der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein, wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen. Daher müssen die bestehenden Gemeinschaftsinstrumente, die Arbeitnehmer und Selbstständige sowie Studierende und andere beschäftigungslose Personen getrennt behandeln, kodifiziert und überarbeitet werden, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken.

(5) Das Recht aller Unionsbürger, sic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge