Entscheidungsstichwort (Thema)

Humanarzneimittel. Richtlinie 2001/83/EG. Begriff ‚Werbung’. Verbreitung von Informationen über ein Arzneimittel durch einen aus eigenem Antrieb handelnden Dritten

 

Beteiligte

Damgaard

Frede Damgaard

 

Tenor

Art. 86 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die von einem Dritten vorgenommene Verbreitung von Informationen über ein Arzneimittel, namentlich über dessen heilende oder verhütende Eigenschaften, auch dann als Werbung im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann, wenn dieser Dritte aus eigenem Antrieb und in völliger – rechtlicher und tatsächlicher – Unabhängigkeit vom Hersteller oder vom Verkäufer handelt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob diese Verbreitung eine Maßnahme zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel darstellt, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Vestre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 6. August 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 13. September 2007, in dem Strafverfahren gegen

Frede Damgaard

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter J.-C. Bonichot, K. Schiemann (Berichterstatter) und J. Makarczyk sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Damgaard, vertreten durch S. Stærk Ekstrand, advokat,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux als Bevollmächtigten,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch N. Dafniou, S. Alexandriou und K. Georgiadis als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch T. Krawczyk, P. Dąbrowski und M. Dowgielewicz als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Z. Bryanston-Cross als Bevollmächtigte im Beistand von J. Stratford und J. Coppel, Barristers,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk und M. Šimerdová als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. November 2008

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 86 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 34) geänderten Fassung.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens aufgrund einer von der Anklagemyndighed (Staatsanwaltschaft) gegen Herrn Damgaard erhobenen Anklage; Herr Damgaard, der als Journalist tätig ist, wird wegen der öffentlichen Verbreitung von Informationen über die Eigenschaften und die Erhältlichkeit eines Arzneimittels verfolgt, dessen Vermarktung in Dänemark nicht gestattet ist.

Rechtlicher Rahmen

Die Richtlinie 2001/83

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2 und 3 der Richtlinie 2001/83 lauten:

„(2) Alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln müssen in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten.

(3) Dieses Ziel muss jedoch mit Mitteln erreicht werden, die die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft nicht hemmen können.”

Rz. 4

Im 40. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es:

„Die Bestimmungen über die Unterrichtung der Patienten müssen ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass die Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß angewandt werden können.”

Rz. 5

Der 45. Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:

„Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden können, könnte sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken, wenn sie übertrieben und unvernünftig ist. Die Werbung muss, wenn sie erlaubt wird, bestimmten Anforderungen genügen, die festgelegt werden müssen.”

Rz. 6

Titel III der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83) betrifft das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, während im Titel IV ihre Herstellung und ihr Import behandelt werden. Titel VII der Richtlinie regelt den Großhandel mit Medikamenten.

...

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