Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Richtlinie 2000/78/EG. Hinterbliebenenversorgung aus einem berufsständischen Pflichtversorgungssystem. Begriff des Arbeitsentgelts. Versagung mangels Eheschließung. Gleichgeschlechtliche Partner. Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung

 

Beteiligte

Maruko

Tadao Maruko

Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen

 

Tenor

1. Eine Hinterbliebenenversorgung, die im Rahmen eines berufsständischen Versorgungssystems wie der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen gewährt wird, fällt in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

2. Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2000/78 steht einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegen, wonach der überlebende Partner nach Versterben seines Lebenspartners keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend einem überlebenden Ehegatten erhält, obwohl die Lebenspartnerschaft nach nationalem Recht Personen gleichen Geschlechts in eine Situation versetzt, die in Bezug auf diese Hinterbliebenenversorgung mit der Situation von Ehegatten vergleichbar ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob sich ein überlebender Lebenspartner in einer Situation befindet, die mit der eines Ehegatten, der die Hinterbliebenenversorgung aus dem berufsständischen Versorgungssystem der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen erhält, vergleichbar ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bayerischen Verwaltungsgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Juni 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juni 2006, in dem Verfahren

Tadao Maruko

gegen

Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und L. Bay Larsen, der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk, P. Kūris, J. Klučka (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh, der Richterin P. Lindh und des Richters J.-C. Bonichot,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Maruko, vertreten durch Rechtsanwälte H. Graupner, R. Wintemute und M. Bruns,
  • der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen, vertreten durch C. Draws und P. Rammert als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte A. Bartosch und T. Grupp,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von T. Ward, Barrister,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Enegren und I. Kaufmann-Bühler als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. September 2007

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b Ziff. i sowie Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

2 Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Maruko und der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen (im Folgenden: VddB) wegen deren Weigerung, Herrn Maruko aus dem berufsständischen Pflichtversorgungssystem, dem sein verstorbener Lebenspartner angehörte, eine Witwerrente als Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Erwägungsgründe 13 und 22 der Richtlinie 2000/78 lauten:

„(13) Diese Richtlinie findet weder Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben.

(22) Diese Richtlinie lässt die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt.”

4 Art. 1 der Richtlinie 2000/78 lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.”

5 Art. 2 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne...

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