Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Art. 47 und 51 Abs. 1. Entscheidung betreffend Flächennutzungspläne. Fehlende Anknüpfung an das Unionsrecht. Offensichtliche Unzuständigkeit des Gerichtshofs

 

Beteiligte

Asparuhov Estov u.a

Krasimir Asparuhov Estov

Monika Lyusien Ivanova

Kemko International EAD

Ministerski savet na Republika Bulgaria

 

Tenor

Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Beantwortung der vom Varhoven administrativen sad (Bulgarien) mit Entscheidung vom 14. Juni 2010 vorgelegten Fragen offensichtlich unzuständig.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Bulgarien) mit Entscheidung vom 14. Juni 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2010, in dem Verfahren

Krasimir Asparuhov Estov,

Monika Lyusien Ivanova,

Kemko International EAD

gegen

Ministerski savet na Republika Bulgaria

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Schiemann, des Richters L. Bay Larsen und der Richterin C. Toader (Berichterstatterin),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

nach Anhörung der Generalanwältin

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits von Herrn Estov, Frau Ivanova und der Kemko International EAD gegen den Ministerski savet na Republika Bulgaria (Ministerrat der Republik Bulgarien).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erklärung zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Anhang zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat (ABl. 2010, C 83, S. 335), lautet:

„Die Charta …, die rechtsverbindlich ist, bekräftigt die Grundrechte, die durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantiert werden und die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben.

Die Charta dehnt weder den Geltungsbereich des Unionsrechts über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus noch begründet sie neue Zuständigkeiten oder neue Aufgaben für die Union, und sie ändert nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.”

Nationales Recht

Rz. 4

Art. 103 des Raumplanungsgesetzes (Zakon za ustroystvo na teritoriata) sieht vor:

„…

(2) Die Flächennutzungspläne legen den überwiegenden Nutzungszweck und die Gliederung der einzelnen Struktureinheiten der vom Plan erfassten Gebiete fest.

(3) Die Bebauungspläne legen den konkreten Nutzungszweck und die Gliederung der vom Plan erfassten einzelnen Grundstücke fest.

…”

Rz. 5

Art. 127 dieses Gesetzes bestimmt:

„…

(6) Der Flächennutzungsplan wird vom Gemeinderat nach Vorlage durch den Bürgermeister genehmigt. Die Entscheidung über die Genehmigung des Plans wird im Amtsblatt veröffentlicht. Sie ist endgültig und nicht anfechtbar.

(7) … Die spezifischen Regeln und Normen für die Planung und Bebauung des Gebiets der Hauptstadt werden durch ein gesondertes Gesetz festgelegt.

(8) … Ein neuer Flächennutzungsplan für die Hauptstadt und Änderungen des geltenden Flächennutzungsplans werden vom Ministerrat nach diesem Gesetz unter Einhaltung der Regeln und Normen für die Planung und Bebauung, die im Gesetz über die Planung und Bebauung der Hauptstadt festgelegt sind, verabschiedet.

(10) … Der Flächennutzungsplan für Ansiedlungen von nationaler Bedeutung wird durch Verfügung des Ministers für Regionalentwicklung und öffentliche Arbeiten nach Abstimmung mit dem Gemeinderat genehmigt; die Verfügung wird im Amtsblatt veröffentlicht. Sie ist endgültig und nicht anfechtbar.

…”

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rz. 6

Mit Entscheidung vom 16. Dezember 2009 (im Folgenden: streitige Entscheidung) änderte der Ministerski savet na Republika Bulgaria den Flächennutzungsplan für die Stadt Sofia in Bezug auf zwei zweckbestimmte Grundstücke. Nach diesem Plan lagen diese beiden Grundstücke in einer Zone für „Tätigkeiten zur Versorgung der Allgemeinheit”, und nach dem Bebauungsplan waren sie konkret für die Bebauung mit Geschäften und Büros bestimmt. Nach dieser Entscheidung liegen diese Grundstücke nunmehr in einer „Grünflächen”-Zone, in der eine Bebauung zur Entfaltung wirtschaftlicher Tätigkeit nicht erlaubt ist.

Rz. 7

Die Kläger des Ausgangsverfahrens fochten diese Entscheidung vor dem Varhoven administrativen sad an. Mit einem von einer mit drei Richtern besetzten Kammer erlassenen Beschluss vom 20. April 2010 wies dieses die Klage mit der Begründung ab, dass gemäß Art. 127 Abs. 6 und 10 des Raumplanungsgesetzes Flächennutzungspläne, die vom Stadtrat und vom Minister für Regionalentwicklung und öffentliche Arbeiten genehmigt worden seien, nicht mit einer Klage anfechtbar seien.

Rz. 8

Die Kläger des Ausgangsverfahrens fochten diesen Beschluss vor demselben Gericht an, das dur...

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