1 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

Seit 1.1.2001 wird in der Rentenversicherung zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung unterschieden. Die Einstufung, ob teilweise oder volle Erwerbsminderung vorliegt, wird anhand der verbliebenen Arbeitskraft, dem sog. Restleistungsvermögen, für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beurteilt und hat entscheidende Auswirkungen auf die Höhe der Rente.

1.1 Volle Erwerbsminderung

Da bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des Gesundheitszustands regelmäßig keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt werden kann, hat diese Rente die Aufgabe, den Lebensunterhalt der versicherten Person auf Dauer zu sichern. Sie hat daher den Rentenartfaktor von 1,0 und ist unter Berücksichtigung der Zurechungszeit[1] der Höhe nach mit einer Altersrente vergleichbar.

[1]

S. Abschn. 1.7.

1.2 Teilweise Erwerbsminderung

Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist darauf ausgerichtet, dass die versicherte Person mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen noch eine Erwerbstätigkeit ausübt. Sie ist demzufolge nur als Ausgleich für den niedrigeren Verdienst durch eine Teilzeittätigkeit oder eine schlechter bezahlte Tätigkeit gedacht. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist mit einem Rentenartfaktor von 0,5 nur halb so hoch wie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

1.3 Teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit

Da es nach der Reform zu den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Jahr 2001 das Ziel war, langfristig keine Beurteilung von Berufsunfähigkeit mehr vorzunehmen, wird eine Berufsunfähigkeit aus Gründen des Vertrauensschutzes nur noch für Versicherte geprüft, die bei der Reform bereits 40 Jahre alt waren, also vor dem 2.1.1961 geboren sind.[1] Besteht Anspruch auf eine solche Rente nach § 240 SGB VI, weil das Restleistungsvermögen im bisherigen Beruf und auch in sozial zumutbaren Verweisungstätigkeiten unter 6 Stunden täglich liegt, ist auch diese Rente nur halb so hoch wie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und damit niedriger als die "alte" Rente wegen Berufsunfähigkeit.

1.4 Arbeitsmarktrente

Die Frage, ob eine volle Erwerbsminderung vorliegt, ist auch von der Lage am Arbeitsmarkt abhängig. Der Rentenversicherungsträger prüft, ob die betroffene Person mit ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung überhaupt noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt hat (konkrete Betrachtungsweise). Dies wird nur bei einem Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden geprüft, da bei einer unter 3-stündigen Leistungsfähigkeit ohnehin ein Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente besteht. Liegt neben der eingeschränkten Leistungsfähigkeit auch noch Arbeitslosigkeit vor, wird der Teilzeitarbeitsmarkt als verschlossen angesehen. Die betroffene Person kann das reduzierte Leistungsvermögen nicht in eine Erwerbstätigkeit umsetzen. Durch den als verschlossen geltenden Teilzeitarbeitsmarkt schlägt die teilweise Erwerbsminderung zu einem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung durch.

1.5 Wartezeit/Versicherungsrechtliche Voraussetzung

1.5.1 Allgemeine Wartezeit und 3/5-Belegung

Die Wartezeit ist erfüllt, wenn die versicherte Person die Mindestversicherungszeit von 5 Jahren zurückgelegt hat (allgemeine Wartezeit), bevor die Erwerbsminderung eingetreten ist. Darüber hinaus müssen als versicherungsrechtliche Voraussetzung in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge gezahlt worden sein (sog. 3/5-Belegung). Der 5-Jahreszeitraum verlängert sich um in diesem Zeitraum liegende besondere Zeiten, für die aus sozial vertretbaren Gründen keine Beiträge gezahlt wurden (z. B. Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit oder Schulausbildung ab dem 17. Geburtstag sowie Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Berücksichtigungszeiten).

Versicherte Personen brauchen die 3/5-Belegung nicht zu erfüllen, wenn sie die allgemeine Wartezeit bereits vor dem 1.1.1984 erfüllt haben. Dann muss aber jeder Monat seit dem 1.1.1984 bis zum Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit[1] mit Beiträgen oder weiteren Anwartschaftserhaltungszeiten nach § 241 Abs. 2 SGB VI belegt sein. Hierzu zählt auch der gewöhnliche Aufenthalt in den neuen Bundesländern bzw. der ehemaligen DDR vom 1.1.1984 bis zum 31.12.1991.

Die 3/5-Belegung braucht auch dann nicht erfüllt zu werden, wenn die Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

In besonderen Fällen ist die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt, obwohl noch keine 5 Jahre eingezahlt wurden. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Erwerbsminderung durch einen Arbeitsunfall, eine Berufskrankheit, eine Wehr- oder Zivildienstbeschädigung oder einen politischen Gewahrsam eingetreten ist. Grundsätzlich genügt schon ein einziger Beitrag zur Rentenversicherung, um die Wartezeit vorzeitig zu erfüllen. Ist die Erwerbsminderung durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten, muss jedoch zu diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht bestanden haben oder mindestens 1 Jahr mit Pflichtbeiträgen in den letzten 2 Jahren vor Erwerbsminderung vorhanden sein.

Die allgemeine Wartezeit ist auch vorzeitig erfüllt, wenn eine volle Erwerbsminderung innerhalb von 6 Jahren eingetreten ist, nachdem eine Berufsausbildung beend...

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