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Bis zur Entdeckung der Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähigem Verband entsprach es fast allgemeiner Meinung, dass die Wohnungseigentümer über die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums keinen Beschluss fassen können. Dieses Bild hat sich seit 2007 gewandelt. Mittlerweile vertreten namhafte Stimmen des Wohnungseigentumsrechts die Möglichkeit eines Beschlusses über die Abnahme, während sich das "Baurecht" dagegen noch deutlich sträubt.

  • Für Beschlusskompetenz: LG München I v. 16.1.2013[1]; AG Tettnang v. 21.4.2011[2]; AG München v. 7.7.2010.[3] Es wäre widersprüchlich, dem Verband die Vergemeinschaftung von Mängelrechten zuzugestehen, nicht aber diejenige der Abnahme. Wegen des engen rechtlichen Zusammenhangs zwischen Mängelrechten und Abnahme ist es regelmäßig sinnvoll, auch Letztere zu vergemeinschaften.
  • Keine Beschlusskompetenz[4]: Eine gemeinschaftliche Abnahme bringe keine Vorteile für die Wohnungseigentümer, sondern ausschließlich Nachteile für den einzelnen Erwerber (Fälligkeit der Vergütung, Gefahrübergang und Übergang der Beweislast für Mängel, Beginn der Verjährungsfrist für Mängelrechte). Es bestehe die Gefahr, dass der Bauträger diese Rechtsfolgen rechtsmissbräuchlich herbeiführt, indem er trotz fehlender Abnahmereife eine Mehrheit organisiert (z. B. durch Übertragung an nahe stehende Personen oder Unternehmen). Ein entsprechender Beschluss zur Abnahme ist bei dieser Sichtweise nichtig.[5] Jedenfalls muss ein Wohnungseigentümer die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gegen sich gelten lassen.[6]

Hält man einen Beschluss für möglich, handelt es sich um eine Vergemeinschaftung i. S. v. § 10 Abs. 6 Satz 3 Var. 2 WEG. Der Beschluss beruht dann auf § 21 Abs. 3 WEG. Das gemeinschaftliche Eigentum wird nach einer solchen Vergemeinschaftung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgenommen. Dazu ist die Stelle zu benennen, die die Wohnungseigentümergemeinschaft vertritt und was diese darf.

 
Praxis-Beispiel

Beschluss über die Abnahme von gemeinschaftlichem Eigentum

Vorschlag[7]: "Das gemeinschaftliche Eigentum wird durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgenommen. Die Wohnungseigentümer bevollmächtigen den Verwalter i. S. v. § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG, die hierzu erforderlichen und zweckdienlichen Erklärungen gegenüber dem Bauträger abzugeben und entgegenzunehmen sowie die notwendigen und sachdienlichen Handlungen vorzunehmen. Der Verwalter ist berechtigt und verpflichtet, bei der Abnahme einen öffentlich bestellten Sachverständigen für das Bauwesen auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hinzuzuziehen."

[3] AG München v. 7.7.2010, 482 C 287/10, NJW 2011 S. 2222; siehe auch Oefele, PiG 87 S. 59, 69; Hügel, ZMR 2008 S. 855, 857; Bärmann/Klein, nach § 10 WEG Rn. 56; Deckert, Baumängel am Gemeinschaftseigentum der Eigentumswohnung, S. 97 ff., 110 f.; Deckert, NJW 1975, S. 854, 855; Jagenburg, NJW 1983, S. 2678, 2687.
[4] Siehe Pauly, ZMR 2011 S. 532, 536; Vogel, NZM 2010 S. 377, 380; Pause/Vogel, ZMR 2007 S. 577, 581; Basty, BTR 2006 S. 150, 153; Ott, ZWE 2010 S. 157, 162.
[5] Vgl. Hügel in Hügel/Scheel Teil 3 Rn. 30; Hügel in Müller, Beck'sches Formularbuch Wohnungseigentumsrecht O. I Anm. 9 m. w. N.
[7] In Anlehnung an Hügel, ZMR 2008 S. 855, 858.

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