Belange der Wasserwirtschaft und des Hochwasserschutzes sind bereits nicht Prüfungsgegenstand im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Sie haben als öffentliche Belange nur für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich eine Bedeutung und sind nicht Gegenstand der Prüfung nach § 34 BauGB und des darin enthaltenen Gebots der Rücksichtnahme. Gewisse Veränderungen der Wasserverhältnisse durch ein in der Nähe des eigenen Grundstücks geplantes Vorhaben muss der Nachbar zudem regelmäßig hinnehmen.[1]

Bauplanungsrecht

Der Hochwasserschutz ist Aufgabe der Bauleitplanung und des Bauordnungsrechts. Für das Bauplanungsrecht ergibt sich dies aus zahlreichen Geboten des BauGB.[2] Allerdings hat der BGH in einem Fall, in dem ein Hausbesitzer durch das aus den oberhalb liegenden Weinbergen strömende Niederschlagswasser Schaden erlitten hatte, entschieden, dass der Geschädigte im Hinblick auf die im Rahmen der Bauleitplanung bei Erstellung des Bebauungsplans verletzten Amtspflichten nicht geschützter Dritter i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB gewesen sei.[3]

Verkehrssicherungspflicht: Hochwasserschutz

Andererseits ist eine Gemeinde unter dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes und der Verkehrssicherung verpflichtet, die Wohngrundstücke eines Baugebiets im Rahmen des Zumutbaren vor Gefahren zu schützen, die durch Überschwemmungen auftreten können. Führen Fehler bei der Planung, Herstellung und dem Betrieb einer Anlage zur Sammlung und Beseitigung von Abwässern zu einem Überschwemmungsschaden am Wohnhaus in einem Baugebiet, weil nach einem Niederschlagsereignis mit einer Jährlichkeit von 2-3 Jahren wild von einer Ackerfläche abfließendes Regenwasser nach Vermischung mit Oberflächenwasser auf einer Straße eine Überschwemmung des Hausgrundstücks verursacht, haftet die Gemeinde dem Grundstückseigentümer nach Amtshaftungsgrundsätzen auf Schadensersatz.[4]

Baumaßnahmen an öffentlichen Straßen dürfen nicht die ernst zu nehmende Gefahr heraufbeschwören, den natürlichen Wasserabfluss zu behindern.[5] So kann im Einzelfall der Baulastträger verurteilt werden, eine bestimmte Straße entsprechend den anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der Wasserwirtschaft zu entwässern.[6]

Allerdings besteht unabhängig von den Bestimmungen eines Bebauungsplans regelmäßig keine individuell einklagbare öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Gemeinde zur Abwehr von aus dem Außenbereich stammendem Wasserfluss, wenn ein Grundstück dem aufgrund seiner Lage schon in der Vergangenheit ausgesetzt gewesen ist.[7]

Bauordnungsrecht

In den Landesbauordnungen ist in aller Regel vorgeschrieben, dass bauliche Anlagen so anzuordnen sind, dass durch Wasser Gefahren oder unzumutbare Beeinträchtigungen nicht entstehen können.[8] Bei Verstößen gegen entsprechende Vorschriften des Bauordnungsrechts ist wieder die oben erwähnte "Drittgerichtetheit" der etwa verletzten Amtspflichten zu prüfen. Diese ist beispielsweise bejaht worden hinsichtlich der Pflichten der Bauaufsichtsbehörde, eine Baugenehmigung nicht ohne Beachtung der Belange des Hochwasserschutzes zu erteilen, ferner den Baubewerber dann auf eine drohende Überschwemmungsgefahr hinzuweisen, wenn eine solche nicht nur bei einem außergewöhnlichen Hochwasser besteht.[9]

Wegen dieser Einschränkung waren bislang im Hinblick auf extreme Hochwasser – wie etwa das des Sommers 2002 – Regressansprüche meist ausgeschlossen. Dazu der BGH[10]: Für ein Hochwasser mit einer Wiederholungszeit von weit über 100 Jahren muss keine Vorsorge getroffen werden.

Doch an welchen Ausmaßen eines möglichen Hochwassers sich die Behörden ihre Tätigkeit bei der Wahrnehmung ihrer Amtspflichten zu orientieren haben, legt der BGH nicht fest. Er führt nur aus, dass auf eine 10-jährige Hochwasserhäufigkeit ausgerichtete Maßnahmen jedenfalls nicht genügen.

Doch auch diese Grenze ist in der Rechtsprechung "fließend". So soll eine Amtshaftung wegen eines Schadens durch Überlaufen von Wasser aus einem öffentlichen Kanalsystem zur Straßenentwässerung auf ein privates Grundstück ausscheiden, wenn die Kanalisation auf eine im Gebiet typische Niederschlagssituation mit entsprechenden Wassermengen ausgelegt ist und nur bei seltenen Starkregenereignissen (hier: Wiederkehrwahrscheinlichkeit 10 bis 12 Jahre) die anfallenden Wassermengen nicht bewältigen kann.[11]

Überdies ist zu beachten: Ein Nachteil, der letztlich nicht mehr auf dem Eingriff des Anspruchsgegners, sondern auf den Wirkungen höherer Gewalt beruht, soll einen Unterlassungsanspruch nicht begründen können.[12]

Sowohl für die Behörden wie auch die Rechtsuchenden verbleibt also eine gehörige Portion Rechtsunsicherheit. Die Starkregenereignisse und katastrophalen Überschwemmungen in jüngerer Zeit könnten allerdings zu einem Umdenken in der Rechtsprechung führen.

[1] VG München, Beschluss v. 11.11.2019, M 11 SN 19.3570, juris; ferner OVG Münster, Beschluss v, 14.6.2021, 7 A 836/20, juris.
[2] Vgl. näher Ewer, NJW 2002, S. 3496, 3500; zu Entwässerungsproblemen bei einem Erschließungsplan vgl. ...

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