Leitsatz

Die außerordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs des Mieters wird unwirksam, wenn der Vermieter hinsichtlich der Mietrückstände und der fälligen Entschädigung (§ 546a BGB) binnen 2 Monaten nach Erhebung der Räumungsklage von einer öffentlichen Stelle befriedigt worden ist. Eine erneute Kündigung des Mietverhältnisses kann regelmäßig nicht darauf gestützt werden, dass der zahlungsunfähige Mieter die im erledigt erklärten Räumungsprozess angefallenen Verfahrenskosten nicht ausgeglichen hat.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Normenkette

BGB §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 3 Nr. 2, 573 Abs. 2 Nr. 1

 

Kommentar

Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über ein Einfamilienhaus zu einer Monatsmiete von 530 EUR. Nachdem der Mieter mit den Mietzahlungen in Verzug gekommen war, hat der Vermieter wegen eines Rückstands von ca. 4.300 EUR fristlos gekündigt und Räumungsklage erhoben. Die Mietrückstände wurden innerhalb der 2-Monats-Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB von den Sozialbehörden bezahlt. Im Hinblick darauf haben die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Prozesskosten wurden dem Mieter auferlegt. Diese Kosten betrugen 1.620,66 EUR. Der Mieter hat diese Kosten nicht bezahlt. Vollstreckungsversuche hatten keinen Erfolg.

Im November 2008 waren die insoweit bestehenden Zahlungsverpflichtungen wegen der Zinsen und der Vollstreckungskosten auf 2.137,38 EUR angewachsen. Mit Schreiben vom 13.11.2008 hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen der Weigerung des Mieters zum Ausgleich dieser Kosten wiederum gekündigt und Räumungsklage erhoben. Der BGH hatte über die Wirksamkeit dieser Kündigung zu entscheiden.

1. Ordentliche Kündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB)

Nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt ein Grund zur ordentlichen Kündigung vor, wenn der Mieter "seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat". Dabei muss es sich um die Verletzung einer aus dem Mietverhältnis resultierenden Haupt- oder Nebenpflicht handeln. Zum Kreis dieser Pflichten zählt nach allgemeiner Ansicht die Verpflichtung zur Zahlung der Miete und der Nebenkosten. Streitig ist dagegen, ob die Weigerung (oder das Unvermögen) zur Zahlung von Prozesskosten aus einer vorangegangenen Mietstreitigkeit als Pflichtverletzung in diesem Sinne zu bewerten ist (bejahend: Häublein in MünchKomm, § 573 BGB Rdn. 57; verneinend: LG Duisburg, Beschluss v. 28.5.1991, 7 S 616/90, WuM 1992 S. 189; Rolfs in Staudinger (2006), § 573 BGB Rdn. 36).

Der BGH führt hierzu aus, dass die Weigerung (oder das Unvermögen) zur Zahlung von Prozesskosten jedenfalls dann unter § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB fällt, wenn die Kosten im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen dem Verzug zur Zahlung der Miete entstanden sind. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Prozesskosten in diesem Fall Teil des durch die unterbliebenen Mietzahlungen verursachten Verzugsschadens sind.

Gleichwohl kann der Vermieter in Fällen dieser Art nicht kündigen, weil die Pflichtverletzung unterhalb der "Erheblichkeitsschwelle" liegt, die unter Berücksichtigung "der in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers" zu bestimmen ist. In § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist geregelt, dass eine fristlose Kündigung unwirksam wird, wenn der Vermieter bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Zustellung der Räumungsklage "hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird".

Der BGH argumentiert, dass die Rechtsfolge der Unwirksamkeit nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur vom Ausgleich der Mietrückstände, nicht aber von der Bezahlung angefallener Verzugszinsen oder Prozesskosten abhängt. Diese gesetzgeberische Wertung werde unterlaufen, wenn der Vermieter diese Beträge zum Gegenstand einer Kündigung machen könnte. Regelmäßig sei nämlich davon auszugehen, dass ein wirtschaftlich nicht leistungsfähiger Mieter auch die Prozesskosten nicht bezahlen kann und dass die Sozialhilfebehörden diese Verbindlichkeiten ebenfalls nicht begleichen.

2. Außerordentliche Kündigung (§ 543 Abs. 1 BGB)

Nach § 543 Abs. 1 BGB ist ein Vermieter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen einer Pflichtverletzung des Mieters "nicht zugemutet werden kann". Für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Zumutbarkeit gelten die zur ordentlichen Kündigung dargelegten Grundsätze. Deshalb scheidet eine außerordentliche Kündigung ebenfalls aus.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 14.7.2010, VIII ZR 267/09, NJW 2010 S. 3020

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