Leitsatz

a) Die Abweisung einer früheren, auf eine außerordentliche Kündigung gestützte Räumungsklage hindert den Vermieter nicht, eine erneute Kündigung und Räumungsklage darauf zu stützen, daß der Mieter das beanstandete Verhalten nach der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses fortgesetzt habe.

b) Er ist auch nicht gehindert, eine erneute Kündigung nach § 554 a BGB auf solche Gründe zu stützen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses zwar schon objektiv vorlagen, ihm aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind.

 

Sachverhalt

Die Mieter hatten Gewerbemietraum zum Betrieb einer Diskothek und Tanzbar angemietet. Ohne die Erlaubnis des Vermieters einzuholen, hatten sie einem Dritten die Mitbenutzung der Räume überlassen und gemeinsam mit diesem eine Nachtbar betrieben, deren Werbung mit "Show nonstop" und "Erotik pur" auf Striptease hinwies und erkennen ließ, "daß die Damen auch zum Animieren und mehr beschäftigt" würden. Ein solches Etablissement hält der Vermieter für mit seinem Ruf nicht vereinbar, kündigte den "Nutzungs-/Pachtvertrag" und verklagte den Mieter auf Räumung. Das Landgericht war der Meinung, der Vermieter habe die Mitbenutzung durch den Betreiber der Nachtbar zu lange stillschweigend geduldet, damit sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht unzumutbar. Es wies die Klage daher mangels Kündigungsgrundes ab. Die Vermieter kündigten dem Mieter erneut und verklagten ihn ein weiteres Mal auf Räumung. Diesmal begründeten sie die Kündigung damit, daß im Betrieb des Mieters "in massiver Weise die Prostitution gefördert werde". Der Mieter ist der Ansicht, er könne nicht mehr auf Räumung verklagt werden, da die erste Räumungsklage rechtskräftig abgewiesen worden war.

 

Entscheidung

Der Vermieter kann die Räumung verlangen, obwohl er im Vorprozeß unterlegen war. Die abgewiesene Räumungsklage ist zwar rechtskräftig. Damit steht für die Parteien aber lediglich fest, daß im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Räumung nicht bestand. Einer neuen Klage, mit der geltend gemacht wird, das Mietverhältnis sei durch erneute Kündigung nunmehr beendet, steht dies grundsätzlich nicht entgegen. Zwar ist der Klaggrund mit jenem des Vorprozesses inhaltlich weitgehend identisch. Die zweite Kündigung stützt sich aber auch auf die Förderung der Prostitution nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses. Das dem Mieter jetzt vorgeworfene Verhalten erschöpft sich auch bei "natürlicher Betrachtungsweise" nicht in der Fortsetzung eines bereits im Vorprozeß beanstandeten Verhaltens: Hier stützt der Vermieter seine erneute Kündigung auf Vorwürfe, die über die des Vorprozesses hinausgehen. Im Vorprozeß hatte er nur vorgebracht, die Frauen würden zum "Animieren und mehr" beschäftigt. Daraus kann nicht die Behauptung entnommen werden, den Gästen werde regelmäßig auch Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr geboten. Im Vorprozeß hatte der Vermieter auch nichts vorgetragen, was auf eine Verletzung ordnungs- oder strafrechtlicher Bestimmungen hinweist, während er im zweiten Prozeß den Vorwurf einer strafbaren Handlung, nämlich der Förderung der Prostitution (§ 180 a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB) enthält.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 10.09.1997, XII ZR 222/95

Fazit:

Ist durch rechtskräftiges Urteil festgestellt worden, daß die Kündigung des Vermieters unwirksam war, muß er bei erneuter Klageerhebung folgendes beachten: Die Tatsachen, die eine Kündigung rechtfertigen, dürfen nicht mit den Vorwürfen identisch sein, die der Vermieter auch anläßlich der ersten Kündigung angeführt hatte. Er kann also die Kündigung nicht allein auf die Fortsetzung des schon früher beanstandeten Verhaltens des Mieters stützen: Insoweit steht die Rechtskraft des Urteils entgegen.

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