Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem "Dauerschuldcharakter" der Vereinbarung ein ungeschriebenes Erfordernis der Abmahnung vor Ausübung des vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrechts ergeben. Dies soll gelten, wenn sich der Erblasser in einem Erbvertrag den Rücktritt für den Fall vorbehalten hat, dass der Vertragspartner bestimmte Verpflichtungen, wie z. B. zur Verpflegung, Pflege oder Rentenzahlung nicht erfüllt. Dagegen soll eine Abmahnung nicht erforderlich sein, wenn die Vertragspflichten und die Pflichtverletzungen klar und unmissverständlich vereinbart sind.[1] In diesem Fall wäre es aber auch möglich, die Erbeinsetzung unter die auflösende Bedingung der Vertragserfüllung zu stellen

Ist eine Abmahnung geboten, sollen hierin die Leistungsmängel hinreichend klar bezeichnet und der Rücktritt unmissverständlich angedroht werden.[2] Zwar lässt sich gegen die vorgenannte Rechtsprechung einwenden, dass diese im Ergebnis im Widerspruch zu § 323 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes stehen dürfte, weil danach selbst bei einem gegenseitigen Vertrag eine Ablehnungsandrohung nicht mehr Voraussetzung für den Rücktritt ist.[3]

 
Praxis-Tipp

Dem Erblasser ist angesichts der Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts sicherheitshalber stets zu einer Abmahnung mit Rücktrittsdrohung zu raten.

[1] Vgl. BGH, Urteil v. 22.1.1981, IV a ZR 97/80, NJW 1981 S. 2299 f.; OLG Düsseldorf, Urteil v. 11.2.1994, 7 U 39/93, ZEV 1994 S. 171 f.; vgl. auch Raff in Staudinger, BGB (2022), § 2293 Rn. 16.
[2] Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 11.2.1994, 7 U 39/93, ZEV 1994 S. 171 f.; Musielak in MüKo-BGB, § 2293 Rn. 7; Kirchner, MittBayNot 1996 S. 19.
[3] § 323 BGB verlangt regelmäßig eine Fristsetzung. Es besteht aber weder eine gesetzliche Grundlage noch eine Notwendigkeit das Erfordernis einer Fristsetzung auf den Erbvertrag zu übertragen. Die Abmahnung als solche ist Warnung genug. Außerdem wird "nach der Art der Pflichtverletzung" eine Fristsetzung bei einem Erbvertrag regelmäßig nicht in Betracht kommen, vgl. § 323 Abs. 3 BGB. Allerdings liegt kein gegenseitiger Vertrag vor.

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