In Kontinentaleuropa ist das System der Erbanfallsteuer weit verbreitet, während der angelsächsische Rechtsraum vom Nachlasssteuersystem geprägt ist.[1] Konkrete Auswirkung des Bereicherungsgrundsatzes ist z. B. im deutschen ErbStG der Abzug der mit dem Erwerbsanfall verbundenen Aufwendungen. Zu dem Charakter einer Bereicherungssteuer passt aber nicht mehr die Anordnung der Gesamtschuldnerschaft für den Schenkungsteuerfall  (§ 20 Abs. 1 ErbStG), die sich nur als Relikt aus der Charakterisierung der ErbSt als Verkehrsteuer begreifen lässt. Gerade bei den Beratungen zum ErbStG hat die Frage, ob – bei Verstößen des Erwerbers gegen die Behaltefristen – noch der Schenker (Senior, ggf. im Altenheim) als Steuerschuldner für einen Vorgang vor (sieben) zehn Jahren belangt werden kann, eine große Rolle gespielt. Man hat sich im Vorfeld darauf verständigt (vgl. Begründung zu BT-Drs. 16/7918 und 16/8547, S. 8), dass das Auswahlermessen des Finanzamts nach § 20 Abs. 1 ErbStG – konform mit dem BFH, Urteil v. 26.10.2006, BFH/NV 2007, 852) – fehlerfrei zu gebrauchen ist. Dies führt in nahezu allen Fällen zu einer vorgezogenen (meist ausschließlichen) Inanspruchnahme des Beschenkten; außerdem könne (soll) der Schenker nicht für Fehlverhalten des Schenkers einstehen müssen. Unseres Erachtens ist den beteiligten Beratern der steuerjuristische Anachronismus des § 20 Abs. 1 ErbStG bewusst gewesen. Die auch nur theoretische Steuerschuldnerschaft des Schenkers widerspricht dem Charakter einer Erbanfallsteuer. Eine Komplettannullierung wäre das Gebot der Stunde gewesen.

[1] Vgl. nur Kapp/Ebeling, Einl. 4, Moench-ErbStG-Komm., Einl. 8 f sowie Crezelius in: Berliner Steuergespräche (2006), S. 2.

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