Zusammenfassung

 
Überblick

Der weitaus größte Teil der Arbeitsausfälle im Jahr entsteht wegen Urlaubs, Krankheit und Feiertagen. Darüber hinaus gibt es aber noch eine Vielzahl weiterer Fälle, in denen Arbeit nicht geleistet wird und sich daher die Frage der Entgeltfortzahlung stellt. Auch dann, wenn der Arbeitgeber sich mit der Annahme der vertraglich geschuldeten Leistung durch den Arbeitnehmer in Verzug – also im Annahmeverzug – befindet, hat er die Vergütung fortzuzahlen.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Geregelt ist die Entgeltfortzahlung bei Annahmeverzug in § 615 BGB und § 11 KSchG.

1 Annahmeverzug

In der Praxis stellt der Annahmeverzug einen wichtigen Fall der Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung des Arbeitnehmers dar. Annahmeverzug liegt vor, wenn der Gläubiger die vom Schuldner angebotene Leistung nicht annimmt.[1] Im Arbeitsverhältnis ist der mit Abstand häufigste Anwendungsfall, dass der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. In der Praxis zeigt er sich beispielsweise durch:

  • Freistellung des Arbeitnehmers (ggf. in der Kündigungsfrist),
  • Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist, wenn sich im Kündigungsschutzverfahren später die Unwirksamkeit der Kündigung herausstellt,
  • rechtswidrige Aussperrung im Arbeitskampf.

Während §§ 293 ff. BGB regeln, unter welchen Voraussetzungen ein Annahmeverzug vorliegt, bestimmt § 615 BGB als Rechtsfolge die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung, ohne dass eine wegen Annahmeverzugs ausgefallene Arbeit nachgeholt werden müsste. Diese Rechtsfolge ist dispositiv;[2] es kann also nicht nur zugunsten des Arbeitnehmers von § 615 BGB abgewichen werden, sondern auch zugunsten des Arbeitgebers – die Entgeltzahlungspflicht bei Annahmeverzug kann auch vollständig abbedungen werden. Dies kann sowohl durch Tarifvertrag als auch durch Arbeitsvertrag und – in den Grenzen des § 77 Abs. 3 BetrVG – auch durch Betriebsvereinbarung geschehen. Entsprechende arbeitsvertragliche Klauseln unterliegen allerdings der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB (AGB-Kontrolle). Etwas anderes gilt allerdings für die Arbeitnehmerüberlassung: Dort kann § 615 BGB nicht abbedungen werden.[3]

Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers können durch abweichende Vereinbarungen aus Anlass einvernehmlicher Freistellung entfallen. Es ist streitig, ob dies bereits im Arbeitsvertrag vereinbart werden kann – etwa der Fall der Freistellung für den Fall der Kündigung während der Dauer der Kündigungsfrist. Jedenfalls unterliegen solche Regelungen den strengen Kontrollanforderungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (sog. AGB-Kontrolle). Gleiches kann eintreten, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer später, z. B. in einem Aufhebungsvertrag oder gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich, auf eine Freistellung einigen. Dann richtet sich die Rechtsfolge der Freistellung nach der Vereinbarung. Insbesondere richtet sich nach dieser Vereinbarung, ob der Arbeitnehmer auch einen Entgeltanspruch haben soll. Ist dies der Fall, tritt nicht automatisch eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB oder § 11 KSchG ein. Diese muss vielmehr auch ausdrücklich vereinbart werden, wenn sie beabsichtigt ist.[4] Soll die Freistellung gleichzeitig unter Anrechnung auf Erholungsurlaub stattfinden, muss die Lage des Erholungsurlaubs genau fixiert werden, wenn (zu den anderen Zeiten) anderweitiges Entgelt angerechnet werden soll.

1.1 Anspruchsvoraussetzungen

Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Annahmeverzugs kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nur in jedem tatsächlich durchführbaren und bestehenden Arbeitsverhältnis haben. Das gilt für alle Arten der Arbeitsverhältnisse, seien es unbefristete, befristete, Vollzeit-, Teilzeit- oder geringfügige Arbeitsverhältnisse. Auch für Ausbildungsverhältnisse gilt § 615 BGB grundsätzlich, nicht hingegen in den Fällen der Heimarbeit, in denen nicht ein Dienst-, sondern ein Werk- oder Werklieferungsvertrag zugrunde liegt. Kein Anspruch auf Annahmeverzug besteht nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wenn das Arbeitsverhältnis rückwirkend begründet wurde, für in der Vergangenheit liegende Zeiträume (dieser Fall kann eintreten, wenn der Arbeitgeber zur Annahme eines Angebots des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Arbeitsvertragsverhältnisses verurteilt wird). Denn § 615 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch auf Vergütungsfortzahlung, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht. Da das Arbeitsverhältnis für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume nicht tatsächlich durchführbar war, weil der Arbeitnehmer im erst rückwirkend begründeten Arbeitsverhältnis in der Zeit vor dessen (Wieder-)Begründung nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet war und diese auch nicht mehr nachholen kann, besteht kein Annahmeverzugsanspruch.[1]

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