Zusammenfassung

 
Überblick

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist seit 1994 für alle Arbeitnehmer einheitlich im Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) geregelt. Das Gesetz gewährt den Arbeitnehmern die Fortzahlung des Arbeitsentgelts i. H. v. 100 %. Den Arbeitnehmer treffen im Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit (AU) Nebenpflichten, nämlich die Anzeige- und – soweit nicht zum 1.1.2023 geändert – die Nachweispflicht, wobei die Anzeigepflicht dem Organisationsbedürfnis des Arbeitgebers Rechnung trägt. Für die Nachweispflicht hat der Arbeitnehmer in der Regel längere Zeit zur Verfügung, je nachdem, ob der Arbeitgeber von seinem Verkürzungsrecht Gebrauch macht oder nicht. Verletzt der Arbeitnehmer seine Nachweispflicht, kann der Arbeitgeber die Zahlung des Entgelts verweigern, solange der Arbeitnehmer der Nachweispflicht nicht nachkommt. Wird der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geführt, so können dennoch Zweifel des Arbeitgebers an der Arbeitsunfähigkeit bestehen, die dann ggf. zum Wegfall der Entgeltfortzahlungsverpflichtung – aber nicht zu einem Leistungsverweigerungsrecht – führen können.

Seit dem 1.1.2023 sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) bei den Krankenkassen abzurufen. Das eAU-Verfahren ist jedoch nicht uneingeschränkt anwendbar, sondern gilt nur für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer. Für privat krankenversicherte Arbeitnehmer, geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten, Zeiten von Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen, sowie für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer, soweit die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt festgestellt wurde, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt (Privatärzte oder Ärzte im Ausland), gilt das eAU-Verfahren nicht.

Gilt das eAU-Verfahren, ist der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet, von einem Arzt die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen zu lassen (Feststellungspflicht). Zusätzlich obliegt es dem Arbeitnehmer sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen; verpflichtet ist er dazu aber nicht.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Die Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers sind in § 5 EFZG geregelt.

1 Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers

1.1 Anzeigepflicht

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG – der unverändert gilt – die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht dient der Dispositionsfähigkeit des Arbeitgebers und besteht daher unabhängig von einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung.[1] Sie besteht daher auch innerhalb der Wartefrist nach § 3 Abs. 3 EFZG, nach Ablauf von 6 Krankheitswochen und in allen Fällen einer Fortsetzungserkrankung. Dies ist nach Einführung des eAU-Verfahrens besonders wichtig! Die Mitteilung muss an den Arbeitgeber oder an die von ihm bestimmte Stelle (in der Regel Personalabteilung) gerichtet werden; eine Information der Arbeitskollegen oder der Telefonzentrale genügt nur, wenn diese die Nachricht tatsächlich weitergeben. Das Risiko der Übermittlung trägt der Arbeitnehmer. Besondere Formvorschriften für die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit existieren nicht, sie ist also mündlich oder schriftlich möglich (meist ist allerdings die Benachrichtigung angezeigt). Für Auslandserkrankungen gibt es spezielle Regelungen.

[1] LAG Hessen, Urteil v. 1.12.2006, 12 Sa 737/06.

1.1.1 Inhalt der Mitteilung

Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber zunächst die Tatsache mitteilen, dass er infolge einer Krankheit arbeitsunfähig ist. War dem Arbeitnehmer ein rechtzeitiger Arztbesuch noch nicht möglich, so muss er den Arbeitgeber auf Grundlage seiner eigenen Diagnose informieren. Auf dieser Grundlage hat der Arbeitnehmer die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, damit der Arbeitgeber entsprechend disponieren kann.[1] Weicht eine spätere ärztliche Prognose erheblich ab, so hat der Mitarbeiter erneut den Arbeitgeber zu informieren.[2]

[2] Reinhard, ErfK, 16. Aufl. 2016, § 5 EFZG, Rz. 5.

1.1.2 Zeitpunkt der Mitteilung

Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, also ohne schuldhaftes Zögern.[1] Der Arbeitnehmer muss sobald wie möglich informieren. Für den Normalfall heißt dies, dass der Arbeitgeber von der Arbeitsunfähigkeit am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit und in den ersten Betriebsstunden informiert wird, wenn möglich vor Beginn der persönlichen Arbeitszeit.[2] Der Arbeitnehmer kann und sollte zur Beschleunigung im Normalfall die telefonische Benachrichtigung wählen; ist er selbst nicht in der Lage, den Arbeitgeber zu informieren, so muss er auch Dritte bemühen, soweit ihm das zumutbar ist. Eine schriftliche Anzeige, die erst am nächsten Tag beim Arbeitgeber eingeht, genügt im Regelfall nicht.[3]

Zeigt der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nicht oder verspätet an, so verletzt er eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Er kann zum ...

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