8.1 Grundsätze

Voraussetzung für ein Ruhen der elterlichen Sorge ist die längere tatsächliche Verhinderung der Ausübung der elterlichen Sorge oder ihrer Bestandteile, z. B. der Personensorge, jedoch mit der Aussicht, dass die elterliche Sorge wieder ausgeübt werden kann.[1]

Die Fälle sind beispielsweise

  • Strafhaft ohne laufenden Kontakt
  • Ausnahmsweise Untersuchungshaft
  • Auswanderung
  • Kriegsgefangenschaft
  • Unbekannter Aufenthalt, z. B. infolge Verschwindens
  • Körperliche oder geistige Erkrankung

Die Folgen ergeben sich aus §§ 1675, 1678 BGB. Solange die elterliche Sorge ruht, ist ein Elternteil nicht berechtigt, sie auszuüben. Ist ein Elternteil verhindert, übt der andere Teil die elterliche Sorge allein aus. Ist nur derjenige Elternteil sorgeberechtigt, dessen Sorge ruht, ist die Vormundschaft anzuordnen.

Zu den Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Sorge hat der BGH in einer Entscheidung vom 6.10.2004 Stellung genommen.

Sachverhalt:

  • Die Eltern und drei minderjährige Kinder sind türkische Staatsangehörige. Die Kinder und die Kindesmutter wurden 2002 von Großbritannien nach Deutschland überstellt. Der Kindesvater hält sich weiterhin illegal in Großbritannien auf und ist dort zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Nach Ablehnung der Asylanträge von Kindesmutter und Kindern scheiterte die Ausweisung daran, dass ohne Mitwirkung des Kindesvaters keine Reisedokumente ausgestellt werden konnten. Der Kindesvater hat insoweit die Mitwirkung verweigert. Dem darauf vom Landkreis gestellten Antrag, das Ruhen der elterlichen Sorge des Kindesvaters feststellen zu lassen, hat das AG entsprochen. Das OLG hat den Beschluss aufgehoben, der BGH hat die zugelassene Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Ein tatsächliches Ausübungshindernis der elterlichen Sorge liegt nur dann vor, wenn der wesentliche Teil der Sorgerechtsverantwortung nicht mehr vom Elternteil selbst ausgeübt werden kann. Hier hatten aber die Eltern Kontakt, so dass der Kindesvater der Erteilung der Reisedokumente hätte zustimmen können. Die Weigerung beruhte also nicht auf einer fehlenden Einwirkungsmöglichkeit sondern auf einer Willensentscheidung

Kein tatsächliches Ausübungshindernis besteht in folgenden Fällen:

  • bloße physische Abwesenheit
  • Verbüßung einer Strafhaft, wenn der inhaftierte Elternteil mit dem Aufenthalt des Kindes beim anderen Elternteil einverstanden ist und auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich sind; denn der Strafvollzug bietet Möglichkeiten zur Kontaktpflege zwischen Eltern und Kind
  • In der Regel reicht die Anordnung von Untersuchungshaft nicht aus; Ausnahme: besonders schwerwiegende Delikte
  • Längerer Auslandsaufenthalt
  • Erfüllt sein können die Voraussetzungen des § 1674 BGB beim türkischen Kind, das in Deutschland lebt, dessen gesetzlicher Vertreter sich in der Osttürkei ohne Telefonverbindung aufhält, und zwar selbst dann, wenn sich das Kind in der Obhut eines älteren, aber nicht zur gesetzlichen Vertretung befugten Bruders befindet
  • Es reicht nicht aus, dass sich das Kind in Adoptionspflege befindet.
  • Einjähriger Irak-Einsatz eines US-Soldaten.

    Für das Verfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 12 FGG. Es besteht jedoch keine Befugnis zur Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung.[2]

    Zuständig für die gerichtliche Feststellung des Ruhens ist das gem. §§ 43, 36 FGG örtlich zuständige Familiengericht.[3]

    Die Entscheidung trifft gem. §§ 3 Nr. 2a, 14 RPflG der Rechtspfleger.[4]

    Das Jugendamt ist nicht zu beteiligen.[5] Es kann aber das Ruhen von sich aus anregen.

    Gemäß § 1674 Abs. 2 BGB kann das Sorgerecht wieder aufleben, wenn das Gericht feststellt, dass die tatsächliche Verhinderung der Ausübung des Sorgerechts nicht mehr besteht. Insoweit muss das Familiengericht bei Wegfall der Voraussetzungen des Abs. 1 von sich aus die Feststellung nach Abs. 2 treffen.

[2] OLG Stuttgart, FamRZ 1975, S. 167; 1976 S. 538.
[4] Zöller/Philippi, ZPO § 621 Rn. 33; Büte, FK 2005, S. 99f., 100, a. A. MüKo/Finger, § 1674 Rn. 7: Richter.

8.2 Vereinbarungen zum Ruhen elterlicher Sorge

Ist zweifelhaft, ob tatsächlich das Ruhen der elterlichen Sorge anzunehmen ist, bietet sich an, eine Vereinbarung zu treffen, die der gegebenen Situation Rechnung trägt und so wenig einschneidend wie möglich ist.

So kann zweifelhaft sein, ob im Falle einer Inhaftierung des Kindesvaters und einer inneren Abwendung der Kindesmutter das Ruhen der elterlichen Sorge anzunehmen ist.

In solchen Fällen kann der Kindesmutter angeboten werden, zeitlich auf die Zeit der – mutmaßlichen – Inhaftierung bezogen eine Vollmacht auszustellen.

Dies kann wie folgt formuliert werden.

 

Muster (Vereinbarung zeitlich befristeter Vollmacht bei Gefahr ruhender elterlicher Sorge)

Verhandelt am …

Zu …

Vor mir, dem unterzeichnenden Notar im Bezirk des Oberlandesgerichts …

……

erscheint

Herr A ..., geb. am ..., wohnhaft ...

ausgewiesen durch ….

Die Frage des beurkundenden Notars nach einer Vorbefassung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG wurde von dem Erschien...

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