Beispiele für die durchaus sehr unterschiedlich hohen Eingriffsschwellen finden sich beispielhaft in einzelnen Entscheidungen wie folgt:

Spannungen zwischen den Eltern

  • Auch unterschiedliche Auffassungen zu einzelnen Erziehungsfragen (Umgangsrecht, Allergiebehandlung des Kindes) zerstören nicht den Grundkonsens für die Beibehaltung der gemeinsamen eSo[1]
  • Trennungsbedingte Spannungen zwischen den Eltern – Einmischung in alle Angelegenheiten der Kinder – werden schnell abgebaut und stehen der gemeinsamen Ausübung der eSo nicht grundsätzlich entgegen.[2]
  • Elternschaft und Partnerschaft sind mit Blick auf die eSo auseinander zu halten. Getrennt lebende Eltern sind verpflichtet, im Rahmen der eSo Konsens zu suchen und zu finden. Aus dieser Pflicht können Eltern nicht entlassen werden, solange ihnen ein gemeinsames Erziehungshandeln zum Wohle des Kindes zumutbar und die darauf gerichtete Erwartung nicht unbegründet erscheint.[3]
  • Erst wenn die Auffassungen der Eltern über die zukünftige Gestaltung des Lebens der Kinder, etwa bezüglich schulischer Belange, derart auseinander gehen, dass mit einvernehmlichen und dem Interesse der Kinder dienenden Entscheidungen nicht gerechnet werden kann, ist die gemeinsame eSo aufzuheben. Hinzu kommt eine weite räumliche Entfernung der Wohnsitze der Eltern (Vater in NRW, Mutter in Wales).[4]
  • Unterschiedliche Auffassungen der Eltern über Einzelheiten des Umgangsrechts lassen zwar auf unterschiedliche Auffassungen von Erziehung und Betreuung schließen, die jedoch der Ausübung der gemeinsamen Sorge nicht entgegenstehen.[5] Verweigert ein Elternteil nachhaltig den Umgang des anderen Elternteils mit den Kindern, kommt zunächst die Einrichtung einer Pflegschaft als milderes Mittel gegenüber dem Entzug des gesamten Aufenthaltsbestimmungsrechts in Betracht.[6]
  • Spannungen zwischen den Eltern haben nicht zur Folge, dass gemeinsame eSo (auch in Teilbereichen) ausgeschlossen ist. Hat sich jedoch in der Vergangenheit gezeigt, dass eine gemeinsame Sorge, in welchem Bereich auch immer, dem Wohl der Kinder abträglich wäre, da die Eltern eine solche Regelung dazu benutzen würden, ihre Streitigkeiten weiter zu Lasten der Kinder auszutragen, ist die gemeinsame eSo aufzuheben.[7]
  • Eine Abweichung von der gemeinsamen eSo ist nur geboten, wenn dies das Kindeswohl erfordert. Hierfür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Allein der Umstand, dass die Eltern selbst aufgrund der Trennung zerstritten sind, reicht nicht aus für die Annahme, die erziehungsfähigen Eltern könnten sich über wesentliche Belange des Kindeswohls nicht einigen. Im Einzelfall kann es erforderlich sein, als minderschweres Mittel das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der eSo einem der Elternteile zu übertragen.[8]
  • Die gerichtliche Regelung eines Teilbereichs der eSo unterliegt den gleichen Eingriffsvoraussetzungen wie die Regelung der eSo insgesamt. Eine Entscheidung zur eSo ergeht erst, wenn festgestellt und begründet ist, dass und warum eine Kooperation unter den Eltern ausgeschlossen ist. Einverständlich geregelter Aufenthalt des Kindes steht einer gerichtlichen Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts entgegen.[9]

In anderen Entscheidungen heißt es dagegen:

  • Es muss gewährleistet sein, dass beide Eltern uneingeschränkt erziehungsgeeignet und gewillt sind, die Verantwortung für die Kinder gemeinsam zu tragen.[10]
  • Entscheidend gegen eine Aufrechterhaltung der gemeinsamen eSo spricht, dass die Mutter, die das Kind betreut und bei der es lebt, sich entschieden gegen die Beibehaltung der gemeinsamen eSo der Eltern wendet, obwohl es den Eltern mittlerweile wieder gelingt, sich im Interesse des Kindes zu verständigen und zusammenzuarbeiten.[11]
  • Wenn die Konflikte der Eltern wesentliche Bereiche der eSo – wie das Umgangsrecht und die finanziellen Angelegenheiten – erfassen, sodass ein gedeihliches Zusammenwirken der Eltern zum Wohle des Kindes insgesamt fraglich erscheint, ist die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil angezeigt.[12]
  • Uneinigkeit über die Frage, ob das Kind eine Klasse freiwillig wiederholen soll oder ob es im Laufe eines Schuljahres freiwillig in die nächst niedrigerenächstniedrigere Klasse überwechseln soll, zeigt fehlende Einigungsfähigkeit und führt zur Übertragung der alleinigen eSo hinsichtlich schulischer Belange.[13]

Geringe Kommunikation, Provokationen

  • Auch bei erheblichen – eher zunehmenden – Differenzen hinsichtlich ärztlicher Behandlung und Einschulung des Kindes, die auch unter Einschaltung des JA nicht ausgeräumt werden können, lediglich Übertragung der Personensorge auf den Antrag stellenden Elternteil;[14] Reaktionen auf Provokationen des anderen Elternteils in prozesstaktischer Absicht sind unbeachtlich;[15] trotz geringer Kommunikation zwischen den Eltern keine Sorgepflichtregelung, wenn Einigung der Eltern in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind möglich sind;[16]
  • Auch wenn Eltern gegenwärtig nicht bereit und nicht in der Lage sind, über die Belange des Kindes sinnvoll miteinander z...

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