Praxis-Beispiel

Nehmen wir an, dass Frau Bischof nach ihrer Scheidung wieder Kuß-Wallach heißt und eine Namensgleichheit mit dem kleinen Kai erreichen möchte. Hier kann die Mutter nach § 3 Abs. 1 NamÄndG eine Änderung des Kindesnamens in "Kuß-Wallach" beantragen.[1]

Da an den Text dieser unscheinbaren Vorschrift schwer heranzukommen ist, soll sie wie folgt zitiert werden:

"(1) Ein Familienname darf nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt."

"(2) Die für die Entscheidung erheblichen Umstände sind von Amts wegen festzustellen; dabei sollen insbesondere außer den unmittelbar Beteiligten die zuständige Ortspolizeibehörde und solche Personen gehört werden, deren Rechte durch die Namensänderung berührt werden."

Praktischer Hauptanwendungsbereich der verwaltungsrechtlichen Namensänderung sind die Fälle, in denen das Kind den Mädchennamen der Mutter erhalten soll (nachdem diese ihren Mädchennamen wieder angenommen hat), also nicht etwa den des Stiefvaters nach Wiederverheiratung der Mutter. Denn in dem zuletzt genannten Fall ist § 1618 BGB anzuwenden.

Zurück zu unserem kleinen Kai: Hier haben wir den typischen nach § 3 NÄG zu entscheidenden Scheidungshalbwaisenfall[2], der früher nur im Sinne des Antragstellers entschieden wurde, wenn die Mutter den Nachweis führte, dass das Kind seelische Qualen erleidet, weil es nicht denselben Namen trägt wie sie. Man ahnt es: So etwas war selten.

Nach der Entscheidung des BVerwG vom 7.1.1994[3] änderte sich die Rechtsprechung vorübergehend: Danach musste die Namensänderung für das Kindeswohl nicht mehr "erforderlich", sondern nur noch "förderlich" sein.[4]

Auch das BVerwG[5] ist nach einer erneuten Änderung seiner Generallinie der Ansicht, dass die Auffassung des Hess. VGH zu weit geht: Zum wichtigen Grund i. S. v. § 3 NÄG gehört danach auch das Vorhandensein von Halb- oder Stiefgeschwistern oder der verfestigte Wunsch des über 14 Jahre alten Kindes nach einer Namensgleichheit.

 
Wichtig

Weitere wichtige Gründe können in der Person des Vaters liegen: Ist dieser wegen Mord und Vergewaltigung zu lebenslänglicher Haft verurteilt, hat der Namensänderungswunsch auch dann Erfolg, wenn die sorgeberechtigte Mutter (wieder) als Prostituierte arbeitet und deren neuer Ehemann, dessen Namen das bedauernswerte Kind tragen soll, den Zuhälter spielt.[6]

Kurzum:

Die Namensänderung muss – bei fehlender Einwilligung des anderen Elternteils – nach § 3 NÄG erforderlich[7], nicht nur hilfreich oder akzeptabeloder förderlich[8] sein, wobei die Eingriffsschwelle der des § 1618 BGB (S. 5:…zum Wohl des Kindes erforderlich…) entsprechen soll.[9]

Anspruchs- und antragsbefugt ist der minderjährige Namensträger, nicht sein sorgeberechtigter Elternteil.[10]

Es gilt insgesamt: Die Tendenz im neuen Jahrtausend geht dahin, § 3 NÄG wieder restriktiv auszulegen. So hat das VerwG Berlin[11] am 30.6.2000 entschieden, dass der Name des Vaters ein häufig vorkommender Name, also ein sog. Sammelname sei und dass schon deshalb eine Änderung nicht erforderlich sei.

M.E. gilt das, was das VerwG Berlin im Weiteren in dieser Entscheidung erklärt:

"Angesichts des Umstands, dass die Namensverschiedenheit zwischen einem sorgeberechtigten Elternteil und einem Kind inzwischen alltäglich geworden ist, kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es für das Kindeswohl erforderlich wäre, diese Namensverschiedenheit zu beseitigen."

Nach Auffassung des VerwG Schleswig kann allerdings bei Gefährdung des Kindeswohls eine Änderung des Familiennamens nach der Scheidung der Eltern entgegen dem Prinzip der Namenskontinuität erforderlich sein.[12]

In einer weiteren Entscheidung hat das OLG Schleswig[13] erklärt:

"Die Einwilligung eines Elternteils in die Einbenennung des Kindes ist durch das Familiengericht zu ersetzen, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist. Wenn das Kind aufgrund des so genannten Asperger-Syndroms auch hinsichtlich seines bisherigen Familiennamens unter mangelnder Orientierung in seinem tatsächlich erlebten Familienverbund leidet, ist die Einbenennung für das Kindeswohl unabdingbar notwendig."

Das OVG Münster[14] ist in einer weiteren Entscheidung der Ansicht, dass sich nach Inkrafttreten des KindRG die Änderung des Nachnamens in den Stiefkinderfällen ausschließlich nach § 1618 BGB richtet. Unzweifelhaft richtig ist, dass sich § 1618 BGB ausschließlich mit Stiefkinderfällen befasst, also solchen, in denen der sorgeberechtigte Elternteil nach Scheidung und Wiederheirat den Namen des neuen Ehepartners angenommen hat[15] oder nach Geburt eines nichtehelichen Kindes einen anderen Mann geheiratet hat und dessen Namen als Ehenamen führt. Wenn dagegen die Namensänderung beim Kind verlangt wird, nachdem die geschiedene Mutter, ohne wieder geheiratet zu haben, ihren Mädchennamen wieder angenommen hat, bleibt § 3 NÄG anwendbar.[16]

Einen anderen Namen erhält das Kind auch im Falle der Adoption durch seinen Stiefvater.[17] Selbstverständlich kommt die Kindesannahme selbst aber nur mit Zustimmung de...

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