Rn 21

Stille Reserven sind Werte von Wirtschaftsgütern, die Gegenstand des Eigenkapitals sind, sich jedoch nicht aus der Bilanz ergeben.

Die Unterbewertung kann sich aus der Wertsteigerung oder durch Ausnutzung von steuerlichen oder bilanziellen Bewertungsspielräumen im Vergleich zu dem ursprünglichen Kaufpreis ergeben.

Werden diese Wirtschaftsgüter zum Verkehrswert veräußert, so entsteht ein Veräußerungsgewinn (Veräußerungspreis abzüglich bilanzieller Wert), der Ertragsteuern auslöst und der als Auflösung oder Aufdeckung stiller Reserven bezeichnet wird.

 

Rn 22

Ob die Einkommensteuer, die aus der Auflösung stiller Reserven resultiert, Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit ist, hängt nach der insolvenzrechtlichen Literatur davon ab, ob die stillen Reserven bereits vor Insolvenzeröffnung vorhanden waren oder nicht. Wurde der Gewinn, der sich erst in der Veräußerung realisiert, über Jahre durch Wertsteigerungen oder Abnutzungen angesammelt, so ist der Veräußerungsgewinn bereits vor Insolvenzeröffnung begründet und damit Insolvenzforderung. Auf die Entstehung des Veräußerungsgewinns durch die Veräußerung kommt es insolvenzrechtlich nicht an.[39]

Demgegenüber vertritt die Steuerrechtsprechung bereits seit der Entscheidung des BFH aus dem Jahre 1984[40] und nunmehr für die Geltung der Insolvenzordnung bestätigt durch BFH[41] die Auffassung, dass die Auflösung von stillen Reserven erst durch Gewinnrealisierung und damit durch Veräußerung erfolgt. Das Halten von stillen Reserven erfüllt noch kein Besteuerungsmerkmal. In Fortführung der umsatzsteuerrechtlichen Finanzrechtsprechung ist der Rechtsgrund für einen Steueranspruch erst gelegt, wenn der Besteuerungstatbestand vollständig verwirklicht ist. Erst zu diesem Zeitpunkt tritt eine insolvenzrechtliche Begründetheit der Forderung ein. Die Begründetheit einer steuerrechtlichen Forderung ist ausschließlich steuerrechtlich zu beurteilen und nicht insolvenzrechtlich.[42] Entscheidend ist also, ob die Veräußerung und damit die Aufdeckung der stillen Reserve vor oder nach Insolvenzeröffnung erfolgte.

In welchem Veranlagungsjahr die Auflösung der stillen Reserve zu versteuern ist hängt davon ab, wann die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut übergeht, also mit Veräußerung oder erst mit Kaufpreiszahlung.

[39] Vgl. Frotscher, 7. Aufl. 2010, S. 139 ff.; Waza/Uhländer/Schmittmann-Uhländer, 9. Aufl. 2012, Rz. 1466 ff., 1472.

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