Leitsatz

Sind Reihenhauswohnungseigentümer nach der Teilungserklärung "wirtschaftlich so weit wie möglich Alleineigentümern gleichgestellt", können Abwehrrechte gegen bestimmte Nutzungen und bauliche Veränderungen (hier: Farbveränderung der Balkonbrüstungsholzverschalung) nur eingeschränkt geltend gemacht werden

 

Normenkette

§§ 13, 14 und 15 WEG; § 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Mangels rechtlich möglicher Realteilung der Reihenhausgrundstücke war in der Teilungserklärung vereinbart, dass die Eigentümer der Reihenhauseigentumseinheiten wirtschaftlich so weit wie möglich Alleineigentümern gleichgestellt sein sollten. Weiterhin war geregelt, dass der Gebrauch eines Sondereigentums im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nur im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG auszuüben sei; gemeinschaftliche Bau- und Grundstücksteile seien eigenständig zu verwalten und zu nutzen (Sondernutzung). Hinsichtlich der Kosten und Lasten seien die Reihenhauseigentümer wirtschaftlich wie Alleineigentümer zu behandeln.

    Ein Reihenhauseigentümer hatte die dunkel gebeizte Holzverschalung der Brüstung seines Balkons südseitig durch nicht gestrichenes helles Fichtenholz ersetzt.

    Während das Amtsgericht und Landgericht den Antragsgegner verpflichtete, den Balkon wieder mit einem dem optischen Erscheinungsbild der gesamten Wohnanlage entsprechenden dunklen Farbanstrich zu versehen, wurde vom Senat der Beseitigungs- bzw. Verpflichtungsantrag zurückgewiesen.

  2. Vorliegend sei in richtiger Auslegung der Gemeinschaftsordnung von einer Modifizierung der Grundsätze der §§ 14 und 15 WEG auszugehen, d. h. einer zulässigen Beschränkung insbesondere der Regelungen in § 14 WEG. Die Gleichstellung der Wohnungseigentümer mit Alleineigentümern sei hier getroffen worden, da eine Realteilung nicht möglich gewesen sei (vgl. auch OLG Hamburg, ZMR 2003, 445/446). Einzuhalten seien von solchen Alleineigentümern lediglich die dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis immanenten Pflichten, insbesondere §§ 906 bis 911 BGB."Wirtschaftlich" bedeute nicht allein, dass hier die Sondereigentümer nur die Kosten des in ihrem Bereich liegenden Gemeinschaftseigentums tragen sollten; vielmehr müsse hier jeder Eigentümer nach seinem Belieben auch mit Gemeinschaftseigentum verfahren können, wolle man die hier getroffenen Vereinbarungsregelungen nicht infrage stellen. Auch bauliche Veränderungen seien deshalb nicht ausgeschlossen, sofern nicht der Bestand der Gemeinschaft dienender Anlageteile als solcher beeinträchtigt oder gegen allgemeine nachbarrechtliche oder nachbarschützende bauordnungsrechtliche Normen verstoßen werde.
  3. Eine nicht gewollte Farbgestaltung des Nachbarbalkons stelle keine Beeinträchtigung nach § 1004 BGB des Eigentums des Nachbarn dar; eine Verletzung des ästhetischen Empfindens des Nachbarn begründe für sich allein i. d. R. keinen Abwehranspruch (BGH, NJW 1975, 170). Allein der festgestellte Eindruck der Uneinheitlichkeit vermöge einen solchen Fall nicht zu begründen.
  4. Auch öffentlich-rechtlich sei kein nachbarrechtlicher Anspruch auf Farbangleichung gerechtfertigt (vgl. §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i. V. m. Art. 8 BayBO), da Art. 8 BayBO ausschließlich zum Schutz des öffentlichen Interesses erlassen worden sei und keine nachbarschützende Funktion habe. Von einer Verunstaltung sei im Übrigen nach den Feststellungen des Landgerichts nicht auszugehen.
Anmerkung

Solche wie hier getroffenen Vereinbarungen finden sich in Doppel- und Reihenhauseigentumswohnanlagen sehr häufig. Allerdings scheint mir die durch Auslegung gewonnene Senatsentscheidung unter Berücksichtigung der Rücksichtnahmepflichten unter Nachbareigentümern im Wohnungseigentumsrecht (§ 14 WEG), die auch in einer solchen Anlage mit Hauswohnungseigentumsgemeinschaften gelten, "sehr großzügig". Gerade bei außenseitig sichtbaren Umgestaltungen (insbesondere auch Farbänderungen) von Bau- und Einrichtungsteilen des Gemeinschaftseigentums kann sich das optische und ästhetische Erscheinungsbild einer Gesamtanlage doch nicht unerheblich und wertbeeinträchtigend ändern, sodass bei solchen Änderungen aus meiner Sicht in ergänzender Vertragsauslegung zur Erhaltung des optischen Gesamtbildes auch einer solchen Anlage etwas restriktiver entschieden werden sollte.

Wie etwa würde der Senat bei ähnlicher Vereinbarungsregelung hinsichtlich einer notwendigen Dachhälftenerneuerung bei einem Doppelhauswohnungseigentum entscheiden, welches bisher mit Holzdachschindeln eingedeckt und nunmehr nach 25 Jahren aufgrund von Durchfeuchtungen durch einen Hälfte-Eigentümer erneuert werden muss, der auf privatgutachterliche Empfehlungen hin nunmehr Zementfaserplatten oder eine Naturschiefereindeckung, insbesondere aufgrund längerer Lebensdauer dieser neuen Deckungsvariante, wünscht ? Ohne Frage wäre die Änderung hier allseits sichtbar, wenn auch aus objektiven Gründen technisch und wirtschaftlich vertretbar oder sogar empfehlenswert (im Sinne einer Kosten-/Nutzen-Analyse).

Hätte der Fall der obig...

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