Die nachbarrechtlichen Vorschriften des BGB und der Landesnachbarrechtsgesetze gelten nach Meinung der Gerichte für Wohnungseigentümer zueinander nicht unmittelbar. Den Grund dafür sehen sie in den Sonderregelungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Diesen sei zu entnehmen, dass Wohnungseigentümer als Folge des intensivierten Nachbarschaftsverhältnisses in einer Eigentumswohnungsanlage in mancher Hinsicht stärkere Beschränkungen hinnehmen müssten, als die Eigentümer benachbarter Grundstücke. Gegen Beeinträchtigungen seines Sondereigentums durch einen anderen Wohnungseigentümer müsse sich daher der betroffene Wohnungseigentümer nach Maßgabe des WEG gerichtlich zur Wehr setzen.[1]

Der nachbarliche Interessenausgleich bei Wohnungseigentumsanlagen wird im Allgemeinen mithilfe der sog. Wohlverhaltensklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG sichergestellt. Danach darf vom Sondereigentum und vom gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch gemacht werden, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Diese Vorschrift gilt für alle nachbarlichen Konfliktfälle in Wohnungseigentumsanlagen, sei es der Lärm von Hausparties, die Hausmusik, den Betrieb eines Gartengrills auf dem Balkon, die Haustierhaltung in der Wohnung oder das ständige Abstellen von Mülltüten vor der Wohnungstür.

Für den Regelfall reicht § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG zur Regelung nachbarlicher Konflikte in Wohnungseigentumsanlagen aus. Probleme gibt es aber immer wieder bei Bäumen und Sträuchern auf Gemeinschaftsflächen oder auf als Sondernutzungsflächen ausgewiesenen Gartenanteilen, durch die angrenzende Wohnungen verschattet werden. Vor allem trifft dies auf Reihenhaus- und Doppelhaussiedlungen zu, die als Wohnungseigentumsanlagen konzipiert sind. Denn § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG ist nichts über die zulässige Höhe und die Grenzabstände von Bäumen, Sträuchern und Hecken zu entnehmen. Wegen dieser Regelungslücke sind nach Meinung der Gerichte hier die für Bäume, Sträucher und Hecken geltenden Vorschriften der Landesnachbarrechtsgesetze zur Auslegung von § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG entsprechend heranzuziehen.[2]

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