Leitsatz

Die Pflicht des wegen Eigenbedarfs kündigenden Vermieters, dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage liegende Wohnung, die vermietet werden soll, anzubieten, beschränkt sich auf Wohnungen, die dem Vermieter zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen; eine Wohnung, die zwar vor Ablauf der Kündigungsfrist für die wegen Eigenbedarfs gekündigte Wohnung gekündigt worden ist, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt frei werden soll, wird von dieser Anbietpflicht nicht erfasst (im Anschluss an BGH, Urteil v. 9.7.2003, VIII ZR 311/02, WuM 2003, 463).

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 242, 573 Abs. 2 Nr. 2

 

Kommentar

Die Mieterin bewohnte seit dem Jahr 1982 eine im 5. Stock des Hauses gelegene Wohnung. Nach dem Tod des Vermieters kündigte dessen Testamentsvollstrecker das Mietverhältnis mit Schreiben vom 2.6.2005 zum 28.2.2006 wegen Eigenbedarfs für die Alleinerbin. Während des Laufs der Kündigungsfrist, nämlich am 30.12.2005, kündigten die Mieter der im 4. Stock befindlichen Wohnung zum 31.3.2006; diese Mieter haben ihre Wohnung termingerecht zum Ablauf des Monats März 2006 geräumt. Die Mieterin der Wohnung im 5. Stock ist dagegen nicht ausgezogen. Der Testamentsvollstrecker hat am 12.4.2006 Räumungsklage erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Testamentsvollstrecker sei verpflichtet gewesen, der Mieterin die im 4. Stock gelegene Wohnung anzubieten.

Der BGH hat das Urteil aufgehoben: Wird nach dem Ausspruch der Kündigung eine Wohnung frei, die zwar nicht für die Zwecke des Vermieters, wohl aber für die Zwecke des Mieters geeignet ist, so muss der Vermieter die frei werdende Wohnung dem Mieter anbieten. Dies hat der BGH (Urteil v. 9.7.2003, VIII ZR 276/02) bereits entschieden. In einer weiteren Entscheidung vom gleichen Tag (VIII ZR 311/02) hat der BGH ergänzend ausgeführt, dass diese Anbietpflicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht. Andernfalls werde derjenige Mieter begünstigt, der sich trotz Ablaufs der Kündigungsfrist zu Unrecht in der Wohnung aufhalte. An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest. Er stellt klar, dass die im Urteil vom 9.7.2003 ausgesprochene Rechtsfolge auch dann gilt, wenn – wie hier – ein Vermieter davon ausgehen kann, dass eine Alternativwohnung alsbald nach Ablauf der Kündigungsfrist frei wird. Vorliegend endete die Kündigungsfrist für das Mietverhältnis über die Wohnung im 5. Stock Ende Februar. Zu diesem Zeitpunkt stand dem Vermieter die Wohnung im 4. Stock noch nicht zur Verfügung, weil das Mietverhältnis über diese Wohnung erst Ende März beendet wurde. Eine Anbietpflicht besteht in einem solchen Fall nicht.

Anmerkung

Die Frage der zeitlichen Begrenzung der Anbietpflicht ist durch das Urteil vom 9.7.2003 (VIII ZR 311/02) und durch die vorliegende Entscheidung noch nicht abschließend geklärt. Unklar ist, welche Rechtsfolge gilt, wenn die Alternativwohnung vor dem Ablauf der Kündigungsfrist für die gekündigte Wohnung frei werden soll (weil der Mieter dieser Wohnung zu diesem Zeitpunkt gekündigt hat), aber nicht frei wird (weil der Mieter der Alternativwohnung vertragswidrig nicht räumt). Nach der hier vertretenen Ansicht besteht die Anbietpflicht, wenn der Vermieter aufgrund der Rechtslage davon ausgehen darf, dass die Alternativwohnung vor oder zum Ablauf der Kündigungsfrist für die gekündigte Wohnung frei wird.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 04.06.2008, VIII ZR 292/07BGH, Urteil v. 4.6.2008, VIII ZR 292/07, NZM 2008, 642 m. Anm. Dötsch = MietRB 2008, 258

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