Getrenntleben

Der Überlassungsanspruch setzt neben dem Bestehen einer wirksamen Ehe voraus, dass die Eheleute getrennt leben i. S. d. § 1567 BGB (Nichtbestehen einer häuslichen Gemeinschaft) oder dass einer von ihnen getrennt leben möchte.

Mitunter ist streitig, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 1567 Abs. 1 BGB leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben. Durch den Auszug aus der ehelichen Wohnung, ohne äußeren Anlass, manifestiert sich regelmäßig auch der Wille zum Getrenntleben.[1]

 
Hinweis

Überlassung oder Zuweisung?

Es begrifflich zu beachten, dass es seit der gesetzlichen Neuregelung im Jahr 2009 keine Wohnungszuweisung mehr gibt, sondern allein Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung gem. §§ 1361b Abs. 1, 1568a Abs. 1, 2 BGB sowie nach § 2 Abs. 1, 6 GewSchG auf Überlassung der Wohnung, in der ein gemeinsamer Haushalt geführt wurde. Gleichwohl wird die aus der alten Hausratsverordnung herrührende Terminologie noch vielfach beibehalten.

Unbillige Härte

Die Überlassung der Wohnung an einen Ehegatten kann nur dann erfolgen, wenn sie – auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten – notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Auf Seiten des anderen Ehegatten sind vor allem dessen dingliche Rechte an der Wohnung zu berücksichtigen.[2] Das Gesetz nennt im Übrigen 2 Gesichtspunkte, die in der Regel eine unbillige Härte begründen: die Beeinträchtigung des Kindeswohls (Abs. 1 Satz 2) sowie der Fall körperlicher Gewaltausübung (Abs. 2). Im Übrigen stellen bloße Unannehmlichkeiten und Belästigungen keine unbillige Härte dar.[3]

Entscheidungskriterien

Der Begriff der unbilligen Härte ist grundsätzlich einzelfallbezogen auszufüllen. In die Gesamtabwägung einzubeziehen sind neben dem Verhältnis der Ehegatten zueinander die Belange des anderen Ehegatten, dingliche Rechtspositionen und alle wesentlichen sonstigen Umstände, die die Lebensbedingungen der Ehegatten, aber auch ihre Beziehung zu der Ehewohnung bestimmen. Die Entscheidung soll einerseits dem Persönlichkeitsschutz des in der Wohnung Verbliebenen dienen, andererseits dem anderen die räumliche und soziale Lebensbasis möglichst erhalten. Je geringer etwa aufgrund der Trennungsdauer die Chance auf eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft wird, umso weniger streng können tendenziell die Voraussetzungen für die Wohnungsüberlassung anzusetzen sein.[4]

Vorrang des Kindeswohls

Sind von der Wohnungsüberlassung Kinder betroffen, haben ihre Belange grundsätzlich Priorität bei der Billigkeitsabwägung.[5] Die Bedürfnisse der Kinder an einer geordneten, ruhigen und möglichst entspannten Familiensituation ohne eine örtliche Veränderung haben nach Ablauf des Trennungsjahres Vorrang vor dem Interesse des Antragsgegners am Verbleib in der Ehewohnung.[6]

Befristung

Im Rahmen des § 1361b BGB geht es nur um eine vorläufige Benutzungsregelung bis zur rechtskräftigen Scheidung. Daher greift die Zuweisungsentscheidung – anders als bei § 1568a BGB – nicht in ein bestehendes Mietverhältnis ein. Mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter der Regelung wird die Wohnungszuweisung häufig zu befristen sein.

 
Hinweis

Wichtige Frist

Nach § 1361b Abs. 4 BGB verliert ein Ehegatte seinen Überlassungsanspruch, wenn er nicht binnen 6 Monaten nach seinem Auszug eine ernstliche Rückkehrabsicht dem anderen Ehegatten gegenüber bekundet hat.

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freiwilligen Wohnungsüberlassung gem. § 1361b Abs. 4 BGB im Streit und begehrt der ausgezogene Ehegatte den Wiedereinzug in die Ehewohnung, kann der in der Wohnung verbliebene Ehegatte im Wege eines Feststellungsantrags gerichtlich klären lassen, dass ein Überlassungsverhältnis, gem. § 1361b Abs. 4 BGB vorliegt.[7]

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