Hat der berechtigte Ehegatte keine Kinder zu betreuen, entsteht grundsätzlich mit Ablauf des Trennungsjahres eine Erwerbsobliegenheit, die auf eine Vollzeittätigkeit gerichtet ist. Hat die Ehe bis zur Trennung weniger als drei Jahre gedauert oder leben die Ehegatten in beengten finanziellen Verhältnissen, kann diese Erwerbsobliegenheit auch schon früher einsetzen.

Demgegenüber kann bei langjährigen Ehen die Erwerbsobliegenheit erst später, beispielsweise erst nach zwei Jahren Trennung, beginnen. Gleiches kann bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen in Betracht kommen.

Befindet sich der berechtigte Ehegatte bereits in einem fortgeschrittenen Alter und liegt eine lange Ehedauer vor, kann beispielsweise bei einer 60-jährigen Hausfrau und einer Ehedauer von über 27 Jahren eine Erwerbsobliegenheit ganz entfallen.[154]

 
Hinweis

Hat ein Ehegatte während der Trennungszeit jahrelang freiwillig Ehegattenunterhalt geleistet, kann ein Vertrauenstatbestand mit Auswirkungen auf die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Ehegatten geschaffen worden sein.[155] Verweist der Unterhaltspflichtige den Berechtigten nur auf die Aufnahme einer Tätigkeit im Geringverdienerbereich und verlangt erst später eine vollschichtige Tätigkeit, dann können erst ab diesem Zeitpunkt Bemühungen um eine solche Stelle verlangt werden. Hierfür ist eine weitere Übergangszeit von ca. sechs Monaten angemessen.[156]

Übt der Berechtigte bereits eine Teilzeittätigkeit aus, stellt sich die Frage, ob er diese sichere Teilzeittätigkeit zu Gunsten einer möglicherweise unsicheren Ganztagsstelle aufgeben muss. Wird dem Berechtigten beispielsweise während der Probezeit dann gekündigt, diente dies auch nicht dem Verpflichteten. Besteht im Rahmen der ausgeübten Teilzeittätigkeit keine Möglichkeit, diese Stelle auf eine Vollzeittätigkeit auszudehnen, wird dem Berechtigten allerdings zugemutet, eine zusätzliche Nebenbeschäftigung aufzunehmen.[157]

Wechselt der Unterhaltsberechtigte auf Drängen des Unterhaltsverpflichteten von einer sicheren Teilzeittätigkeit in eine unsichere Ganztagstätigkeit und verliert im Anschluss diese Stelle, muss der Verpflichtete das sich daraus ergebende unterhaltsrechtliche Risiko ebenfalls tragen.

[156] OLG Hamm, OLGR 2004, 138.
[157] OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 25.

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