Leitsatz

  1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die Durchsetzung von Mängelgewährleistungsansprüchen am Gemeinschaftseigentum durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen
  2. Eine Anspruchsverfolgung kann sich auch auf Mängel am Sondereigentum beziehen, wenn die Gemeinschaft von den einzelnen Eigentümern entsprechend ermächtigt wurde
  3. Verjährungsunterbrechung eines Mahnbescheids (Vorschussforderung für Mängelbeseitigungskosten), wenn noch nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorliegen; für den Antragsgegner muss jedoch erkennbar sein, wegen welcher einzelner Mängel und in welcher jeweiligen Höhe Ansprüche erhoben werden
 

Normenkette

§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG; §§ 633, 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F.

 

Kommentar

  1. Im Anschluss an die BGH-Entscheidung v. 2.6.2005 (ZfIR 2005, 506 und v. 24.6.2005, ZfIR 2005, 827) ist die Wohnungseigentümergemeinschaft ein rechtsfähiger Verband sui generis. Ihre Rechtsfähigkeit ist allerdings auf die Teilbereiche des Rechtslebens beschränkt, bei denen die Eigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnehmen. Damit wird die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Rechtsverkehr gestärkt (vgl. auch Wenzel, ZWE 2006, 2, 6). Dem trägt nunmehr auch die Neufassung des WEG in § 10 Abs. 6 ff. Rechnung.

    Insoweit kann die Gemeinschaft nunmehr auch unter Berücksichtigung der Interessen der Wohnungseigentümer und des Veräußerers Erwerberrechte wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums geltend machen und gerichtlich durchsetzen. Sie ist allerdings nicht Inhaberin der Rechte, da diese den Erwerbern aus den Kaufverträgen mit dem Veräußerer zustehen. Rechte der Erwerber werden hier nicht auf die Gemeinschaft ohne Weiteres übergeleitet (ebenso Pause/Vogel, NJW 2006, 3670 und Wanderer/Kümmel, GE 2005, 900).

    Die Gemeinschaft kann allerdings auch Rechte Dritter geltend machen, wenn ihr das Gesetz entsprechende Befugnis verleiht. Darüber hinaus kann die Gemeinschaft die Durchsetzung der Rechte Dritter zur gemeinschaftlichen Angelegenheit machen. Sie wird dann materiell-rechtlich zur Ausübung der Rechte ermächtigt und handelt verfahrensrechtlich in gesetzlicher Prozessstandschaft (vgl. Wenzel, ZWE 2006, 109, 113 und 118; ZWE 2006, 462, 466 sowie Briesemeister, ZWE 2006, 16).

    Bereits in seinem Urteil v. 10.5.1979 (BGHZ 74, 258) und in nachfolgender Rechtsprechung hat der BGH darauf hingewiesen, dass sich aus § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG eine gesetzliche und ausschließliche Befugnis der Gemeinschaft ergibt, über bestimmte Mängelansprüche der Erwerber von Wohnungseigentum durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört auch die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, der auch die erstmalige Herstellung zuzuordnen ist. Auch die Beseitigung anfänglicher Baumängel gehört bereits hierzu (a. A. Baer, BTR 2006, 113, 116 f.).

  2. Erwerber können allerdings ihre Individualrechte aus Erwerbsvertrag selbstständig gegen den Veräußerer verfolgen, solange gemeinschaftsbezogene Interessen der Eigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt sind (vgl. BGH v. 27.7.2006, BGHZ 169, 1). Dies gilt insbesondere für den großen Schadensersatzanspruch bzw. einen Rücktritt vom Erwerbsvertrag; diese Rechte sind nicht gemeinschaftsbezogen. Aber auch Rechte auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums kann ein Erwerber grds. selbstständig verfolgen, also den Mängelbeseitigungs- und Vorschussanspruch wie auch einen solchen auf Ersatz von Aufwendungen, allerdings mit der Maßgabe auf Zahlungsleistung "an die Gemeinschaft" (h. M.).
  3. Allerdings ist die Gemeinschaft hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche allein zuständig, die ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind und ein eigenständiges Vorgehen des einzelnen Wohnungseigentümers nicht zulassen. Solche gemeinschaftsbezogenen Rechte sind die auf Minderung und auf kleinen Schadensersatz. Auch die Voraussetzungen für diese Rechte kann allein die Eigentümergemeinschaft schaffen (ebenfalls ständige BGH-Rechtsprechung).

    Darüber hinaus kann jedoch die Gemeinschaft auch Rechte der einzelnen Erwerber durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen (vgl. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) und insbesondere Vorschuss fordern. Der Senat hat zuletzt offen gelassen, ob dies in einer Weise geschehen kann, die den einzelnen Erwerber von der Verfolgung seiner Rechte insoweit ausschließt (BGH, BGHZ 169, 1). Diese Frage ist nunmehr zu bejahen, soweit die ordnungsgemäße Verwaltung ein gemeinschaftliches Vorgehen erfordert (vorherrschende Lit. Meinung; a. A. Staudinger/Bub, § 21 WEG Rz. 233 u. 258). Ordnungsgemäße Verwaltung wird es in aller Regel erfordern, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu bewirken ist. Dies gilt auch auf Vorschuss- oder Aufwendungsersatzansprüche wegen anfänglicher Baumängel, die davon abhängen, wie die Selbstvornahme bewirkt...

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