Leitsatz

  1. Streit über Zuordnung eines Raums zu Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum als Vorfrage eines Unterlassungsanspruchs
  2. Entstehung von Sondereigentum schrittweise mit Herstellung einer Raumeinheit auch bei Abweichung vom Aufteilungsplan
  3. Durchgang in einem Hinterhaus zum Erreichen des im Gemeinschaftseigentum stehenden Gartengeländes als zwingendes Gemeinschaftseigentum
 

Normenkette

§§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 4, 43 Nr. 1 WEG; § 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Die Frage, ob ein streitgegenständlicher Gang durch das Hinterhaus im Sondereigentum eines Antragstellers steht (was zu Recht vom Landgericht verneint wurde), ist nur als Vorfrage für den darauf gestützten Unterlassungsanspruch von Bedeutung und entfaltet keine bindende Wirkung für andere Verfahren und Gerichte. Keine Wohnungseigentumssache nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F. (wie auch nach § 43 Nr. 1 WEG n.F.) sind Streitigkeiten, welche den 1. Abschnitt des Teils I des WEG (§§ 19) betreffen, soweit die Eigentumsverhältnisse nicht nur als Vorfrage zu prüfen sind. Ob ein bestimmter Raum zum Sondereigentum oder gemeinschaftlichen Eigentum gehört, fällt nicht unter § 43 Nr. 1 WEG; dies gilt sowohl für Klage auf Feststellung, als auch für Leistungsklage auf Herausgabe oder Grundbuchberichtigung (h.M.).
  2. Bei Bildung von Wohnungseigentum vor (vollständiger) Bauausführung entsteht Sondereigentum mit schrittweiser Herstellung der Raumeinheiten auch dann, wenn die Bauausführung in nicht unwesentlichem Umfang vom durch Wahrung im Grundbuch verbindlich gewordenen Aufteilungsplan abweicht (vgl. bereits KG Berlin, NZM 2001 S. 1127, 1128). Ausgangspunkt für die Begründung von Sondereigentum sind nicht die tatsächlich bestehenden Raumverhältnisse, sondern der Grundbuchinhalt. Eine aufteilungsplanwidrige Bauausführung führt erst dann dazu, die Entstehung von Sondereigentum zu verneinen und von entstandenem gemeinschaftlichem Eigentum zu sprechen, wenn bei der Bauausführung vom Aufteilungsplan in einer Weise abgewichen wird, die es unmöglich macht, die errichteten Räume einer in dem Aufteilungsplan ausgewiesenen Raumeinheit zuzuordnen (vgl. BGH, NZM 2004 S. 103). Dagegen ist selbst eine fehlende Abgeschlossenheit gegenüber Gemeinschaftseigentum oder anderem Sondereigentum unschädlich, wenn die Begrenzung des Sondereigentums nach dem Aufteilungsplan und der Bauausführung eindeutig ist (BGH, Urteil v. 18.7.2008, V ZR 97/07, ZMR 2008 S. 897).
  3. Auch ein Durchgang in einem Hinterhaus, der zum Erreichen des dahintergelegenen, im Gemeinschaftseigentum stehenden Gartengeländes benutzt werden muss, steht zwingend im Gemeinschaftseigentum. Vertretener Gegenmeinung (etwa OLG Hamm, NZM 2002 S. 253) folgt der Senat nicht. Jedenfalls bei der hier vorliegenden Fallgestaltung besteht keine Veranlassung, die Nutzung der unbebauten, als Garten genutzten Grundstücksfläche nicht mit der Nutzung in Gemeinschaftseigentum stehender Räume im Hinblick auf die Zugangssicherung rechtlich gleich zu behandeln (so auch Schmenger, ZNotP 2005, S. 283, 293).
 

Link zur Entscheidung

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 04.04.2011, 20 W 75/08

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