Leitsatz

Drastische Schmähkritik eines Eigentümers gegenüber einem Verwalter vorliegend noch von grundgesetzlicher Meinungsfreiheit abgedeckt

 

Normenkette

Art. 5 GG; §§ 823, 1004 BGB; § 185 StGB

 

Kommentar

  1. Selbst isoliert unzulässige Beleidigungen (Äußerungen wie etwa "Beschlussmanipulierung, Protokollverfälschung, Korruptheit, Vetternwirtschaft, Verdacht auf Provisionsannahme, Lügen, arglistige Täuschung, vermutliches Alzheimerleiden" usw.) muss ein Verwalter noch hinnehmen, wenn das monierte Verwalterhandeln im Gesamtkontext der Kritik steht. Es geht hier um von einem Eigentümer getroffene Schlussfolgerungen, die eine wertende Zusammenfassung der Tätigkeit des klagenden Verwalters darstellen. In ihrem tatsächlichen Aussagekern sind solche Äußerungen so substanzarm, dass sie auch nicht als eigenständige Tatsachenbehauptungen anzusehen sind, die für einen Leser aus sich heraus einen nachvollziehbaren Sachverhalt skizzieren. Etwas anderes würde z.B. hinsichtlich einer Äußerung gelten, "der Verwalter hätte unzulässige Provisionen vereinnahmt". Vorliegend hatte der Eigentümer jedoch nur geschrieben: "Da drängt sich meiner Meinung nach der Verdacht auf, Sie hätten unzulässige Provisionen entgegengenommen." Somit handelt es sich nicht um eine dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogene unzulässige Schmähkritik im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die als ehrverletzend untersagt werden müsste.
  2. Der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit ist gegenüber dem Ehrschutz abzuwägen, wobei hier die Rechtsposition des beklagten Eigentümers im Ergebnis als vorrangig zu werten ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einem herzustellenden Ausgleich zwischen regelmäßig auch gegenläufigen Interessen Diskussionen entstehen können, die inhaltlich und in der Wortwahl drastisch ausfallen können, jedoch nicht per se einer über den Kreis der Miteigentümer hinausgehenden Anzahl von Personen bekannt wird. Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn sich aus dem Kontext konkrete Bezugspunkte zur kritisierten Verwaltung ergeben und eine textliche Einheit darstellen. Der beklagte Eigentümer kann hier aus seiner subjektiven Sicht eine Meinung vertreten und tatsächlich Anlass haben, auch solche Unwerturteile in drastischer Weise noch am Rande des Hinnehmbaren auszusprechen. Die Grenze einer nicht mehr vom Schutz der Meinungsfreiheit gedeckten Beleidigung ist vorliegend nicht anzunehmen, selbst bei äußerst polemischen und abfälligen Äußerungen und auf die Spitze getriebener Abwertung des Verwalterhandelns aus Beklagtensicht. Dies gilt etwa für Äußerungen einer "Beschlussmanipulation" oder auch "Protokollverfälschung", aber auch für Äußerungen "verlogen" und "korrupt".

    Rechtfertigung unter dem Schutz der Meinungsfreiheit besteht allerdings nur so lange, wie ein Eigentümer den tatsächlichen Boden des Disputs nicht verletzt; eine Beschimpfung des Verwalters, die sich in einer solchen erschöpft, wäre dem Eigentümer allerdings verwehrt.

Anmerkung

Liest man die in ZMR zum Sachverhalt erwähnte Schmähkritik dieses Eigentümers in interner Korrespondenz mit dem Verwalter im Detail, erscheint mir selbst in Abwägung des Grundrechts freier Meinungsäußerung gegenüber dem Ehrschutz des Verwalters dieses Urteil unter Vorrang der Rechte des Eigentümers kaum mehr vertretbar, auch nicht im Hinblick etwa anzunehmender berechtigter Interessen des Eigentümers in Zusammenhang mit vielleicht verständlicher Kritik am Handeln des treuhänderisch tätigen Verwalters. Vorliegend ging es dem Eigentümer offensichtlich nicht mehr um alleinige Wertungen und Kommentierungen dieses Verwalterhandelns, sondern teils auch um wahrheitswidrige Tatsachenfeststellungen beleidigenden und ggf. auch verleumderischen Inhalts. In der Regel gelangen solche gegen die Person und seine Berufsausübung gerichteten Äußerungen auch über die alleinige Korrespondenz mit dem Verwalter hinaus zur Kenntnis anderer Eigentümer, ggf. auch gemeinschaftsfremder Personen. Solche Beleidigungen ohne gebotene Sachlichkeit sollten in Wohnungseigentümergemeinschaften trotz vielleicht verständlicher Kritik an Verwalterleistungen nicht Schule machen, was ich jedoch aufgrund dieses Entscheidungsergebnisses bezweifeln muss.

 

Link zur Entscheidung

OLG Braunschweig, Beschluss vom 05.11.2010, 3 U 87/10

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