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Die Europäische Union nimmt zunehmend Einfluss auch auf das nationale Erbrecht. Mit der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO) gehen auch Auswirkungen auf das Amt des Testamentsvollstreckers einher.

Der Anwendungsbereich der EuErbVO erstreckt sich auf sämtliche erbrechtliche Streitigkeiten, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen. Mit Ausnahme von Dänemark, Irland und dem (mit Ablauf des 31.1.2020 aus der EU ausgeschiedenen) Vereinigten Königreich gilt die Verordnung seit dem 17.8.2015 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

 
Hinweis

Dänemark und Irland sind Drittstaaten im Sinne der EuErbVO.

Die Verordnung verfolgt den Zweck der Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Internationalen Erbrechts sowie der Erleichterung einer grenzüberschreitenden Abwicklung von Nachlassangelegenheiten. Insbesondere um letzteres Ziel erreichen zu können, wurde mit der EuErbVO das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) eingeführt (vgl. Art. 62 bis 73 EuErbVO), das im Rahmen der Testamentsvollstreckung von erheblicher Bedeutung sein kann.

Nach Art. 63 Abs. 1 EuErbVO ist das Europäische Nachlasszeugnis "zur Verwendung durch Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bestimmt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen". Das ENZ dient gemäß Art. 63 Abs. 2 lit. c) EuErbVO als Nachweis über die Befugnisse des ernannten Testamentsvollstreckers.

Wenngleich das ENZ gemäß Art. 63 Abs. 2 lit. a) EuErbVO auch als Nachweis über die Rechtsstellung bzw. die Rechte eines jeden Erben anzusehen ist und diesem öffentlicher Glaube zukommt, so wird hierdurch der Erbschein nach nationalem Recht nicht ersetzt (vgl. Art. 62 Abs. 3 EuErbVO). Vielmehr tritt das ENZ als weiteres Instrument daneben, um insbesondere die Abwicklung grenzüberschreitender Erbrechtsangelegenheiten zu erleichtern.

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