Rz. 658

Bei einem Mietvertrag über Wohnraum ist zu beachten, dass die derzeitige Rechtslage

außerhalb der engen Grenzen des § 575 BGB keine Zeitmietverträge mehr zulässt, so dass alle Mietverträge – auch nach Ablauf einer vereinbarten Kündigungssperre oder eines bestimmten Zeitraumes – als Mietvertrag "auf unbestimmte Dauer" (= gesetzliche Kündigungsfrist) fortgesetzt werden und
der Schuldner keine Möglichkeit hat, einen Mietvertrag "auf unbestimmte Dauer" wieder zu lösen, wenn nicht die hierfür vorgesehenen besonderen Kündigungsgründe vorliegen.
 

Rz. 659

Vor dem gleichen Problem sieht sich ein Ersteher in der Zwangsversteigerung. Auch im Fall der außerordentlichen Kündigung nach § 57a ZVG müssen nach allgemeiner Auffassung die gesetzlichen Kündigungsgründe vorliegen. Außerdem ist streitig, welche Kündigungsfrist § 57a ZVG gewährt.[135] Wenn es also um die Vermietung von Wohnraum geht, kann der Zwangsverwalter – was immer er tut – einem der Beteiligten Schaden zufügen, da der Abschluss eines Mietvertrages über Wohnraum einer "kalten Enteignung" nahe kommt. Ganz besondere Vorsicht ist geboten, wenn der Verwalter die ehemalige Schuldnerwohnung vermieten will, aus der er den Schuldner entfernt hat.

 

Rz. 660

Wenn dies auch nicht mehr ausdrücklich vorgesehen ist: Der Verwalter wird – soweit dies ohne Verzug erfolgen kann – zur Frage der beabsichtigten Vermietung den Schuldner und die Gläubiger hören; insbesondere, wenn Letztere gleichzeitig die Zwangsversteigerung betreiben.

 

Rz. 661

Folgende Überlegungen sind anzustellen:

Welche Interessen hat der Schuldner für den Fall der Aufhebung der Zwangsverwaltung?
Gibt es eine reale Aussicht auf Aufhebung der Verwaltung in absehbarer Zeit?
Wird die – anhängige – Zwangsversteigerung konsequent weitergeführt und sieht der Gläubiger in der Vermietung einen Vorteil oder einen Nachteil? Erfahrungsgemäß bringt z.B. ein Einfamilienhaus oder ein Wohnhaus mit bis zu drei Wohnungen einen weit höheren Erlös, wenn zumindest eine Wohnung leer steht, in welche der Ersteher sofort einziehen kann, während ein gut vermietetes Renditeobjekt auf ein gesteigertes Bietinteresse stoßen kann.
 

Rz. 662

Der Zwangsverwalter hat "die aus dem Objekt möglichen Nutzungen herauszuholen".[136] Er darf also keinen absichtlichen Leerstand herbeiführen. Wenn ein Objekt leer steht und vermietet oder verpachtet werden kann, darf er dem Wunsch des Gläubigers, mit Rücksicht auf die bevorstehende Zwangsversteigerung davon abzusehen, nicht einfach nachkommen. Allerdings hat er die im Folgenden aufgezeigten Erwägungen (siehe unten § 2 Rn 665) anzustellen.

Steht die Versteigerung noch nicht unmittelbar bevor und wünscht der Gläubiger, dass die an sich mögliche Vermietung nicht erfolgt, muss er dem Zwangsverwalter eine der erzielbaren Miete entsprechende Nutzungsentschädigung zahlen.[137] Dabei muss tatsächlich "Geld fließen" und es muss vereinbart werden, dass diese Zahlung so lange zu leisten ist, bis das Objekt entweder zugeschlagen wird oder aber ein vom Verwalter eingesetzter Mieter kündigen könnte. Im Übrigen wird der Gläubiger hierdurch auch einen sonst erforderlichen Vorschuss nach § 161 ZVG sparen. Zwar sind seine Zahlungen keine "Vollstreckungskosten", was er aber durch eine höhere Zuteilung in der Zwangsversteigerung auszugleichen hofft.

Dagegen genügt es nicht, dass der Gläubiger dem Schuldner als Ersatz entsprechende Beträge seiner Schuld erlassen will.

[135] Mayer, Rpfleger 1999, 210 und Böttcher, §§ 57–57d Rn 13, wollen dem Mieter auch im Falle der Sonderkündigung gegen die h.M. eine bereits durch Zeitablauf erworbene Kündigungsfrist belassen.
[136] OLG Köln Rpfleger 2008, 321; IGZInfo 2008, 93.
[137] Diese ist nach hiesiger Auffassung wie Miete zu behandeln und dementsprechend beschlagnahmt.

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