Rz. 606

Der Verwalter wird sich so rasch wie möglich Einsicht in die Mietverträge verschaffen. Obwohl der Mietvertrag nach allgemeiner Meinung nicht Zubehör des Grundstücks ist, muss ihn der Schuldner herausgeben, und der Verwalter kann ihn auch aufgrund des Anordnungsbeschlusses durch den Gerichtsvollzieher dem Schuldner zwangsweise wegnehmen lassen.[66]

 

Rz. 607

Auch die Mieter sind verpflichtet, dem Verwalter Einsicht in den Mietvertrag zu gewähren.[67] Wird die Einsicht verweigert, muss der Verwalter Klage erheben. Der Anordnungsbeschluss ermöglicht es dem Mieter gegenüber nicht, diese Einsicht auf dem Vollstreckungsweg zu erzwingen. Die rückwirkende Abrechnungspflicht des Verwalters (siehe § 2 Rn 636 ff.) könnte als erfreulichen Nebeneffekt die zunehmende Bereitschaft der Mieter bewirken, die Verträge auszuhändigen[68] (wenn sie eine Rückzahlung aus den Nebenkosten erwarten).

 

Rz. 608

Wichtig ist, in Erfahrung zu bringen, ob Mietrückstände bestehen. Auch diese sind von der Beschlagnahme erfasst (siehe § 1 Rn 191). Bestreitet der Mieter den vom Schuldner behaupteten Mietrückstand, wird der Verwalter vom Mieter Zahlungsnachweise fordern und – wenn ihm diese verweigert werden – im Zweifel für seine weiteren Entscheidungen davon ausgehen, dass der Mietrückstand besteht.

 

Rz. 609

Der Verwalter ist grundsätzlich verpflichtet, die Folgen des Mietrückstandes geltend zu machen; d.h. also gegen den Mieter das Mahnverfahren einzuleiten (falls dieser den Rückstand nicht bestreitet) oder Klage zu erheben (falls der Rückstand bestritten wird). Hiervon darf er nur absehen, wenn der Gläubiger auf die Rechtsverfolgung verzichtet (§ 8 ZwVwV).

 

Rz. 610

Steht dem Vermieter infolge des Rückstands ein gesetzliches oder vertragliches Kündigungsrecht zu, hat der Verwalter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob er die Kündigung ausspricht, wenn der Mieter nicht unverzüglich die rückständige Miete zahlt.[69] Er sollte seine Entscheidung mit dem Gericht abstimmen.

 

Rz. 611

Auch in allen anderen Fällen kann der Verwalter nach pflichtgemäßem Ermessen die Mietverträge kündigen, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt, welcher auch den Eigentümer zur Kündigung berechtigt hätte.

 

Rz. 612

Gesetzlich oder vertraglich mögliche Mieterhöhungen hat der Verwalter grundsätzlich geltend zu machen. Allerdings hat dies mit wirtschaftlicher Vernunft zu geschehen. Der Verwalter wird darüber nachzudenken haben, ob der Mieter dies nicht zum Anlass nimmt, seinerseits zu kündigen und dann die Vermietbarkeit in Frage steht. In Gebieten mit mangelndem Wohnraum wird der Verwalter wohl gesetzlich zulässige Erhöhungen immer durchsetzen müssen, da er die Wohnung auch nach Kündigung durch den Mieter[70] neu vermieten kann. Besonders in ländlichen Gebieten und – allgemein – bei Geschäftsräumen (Büro, Läden), wird sich der Verwalter überlegen müssen, ob er eine mögliche Mieterhöhung durchsetzt und damit alsbald einen Leerstand riskiert.

 

Rz. 613

Es ist anzunehmen, dass das OLG Köln[71] diese Frage heute mit mehr wirtschaftlicher Einsicht entscheiden würde, nachdem auch in Großstädten bei gewerblichen Immobilien zunehmend Leerstände festzustellen sind und deren Neuvermietung zunehmend schwierig ist. Der Verwalter wird also dem Wunsch eines solventen Mieters, den Gewerbemietvertrag vorzeitig ohne Mieterhöhung zu verlängern, nach gewissenhafter Prüfung nachkommen dürfen, ohne sich hierdurch grundsätzlich pflichtwidrig zu verhalten (zur Vermietung von Wohnraum siehe § 2 Rn 658).

[67] AG Stolzenau WuM 1998, 212.
[68] Haut, Rpfleger 2003, 602.
[69] Wodurch bei Wohnraum-Miete ohnehin das Kündigungsrecht wegen Zahlungsverzuges meist entfallen wäre (§ 543 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 569 Abs. 3 BGB).
[70] Kündigungsfrist drei Monate, unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses.
[71] Rpfleger 1999, 502.

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