Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich, dass der Betreuer die Genehmigung des Betreuungsgerichts auch dann einholen muss, wenn er die Einwilligung zu einer risikoreichen ärztlichen Maßnahme verweigern bzw. die Einwilligung des Betreuten widerrufen will, obwohl die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.

Wie oben ausgeführt, ist § 1829 Abs. 1 BGB nur auf die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Maßnahme anzuwenden. Die Ablehnung oder der Widerruf der einmal erteilten Einwilligung sind hiervon nicht erfasst. Der Verzicht des Betreuers auf eine ärztlich indizierte Maßnahme ist nun im § 1829 Abs. 2 BGB verankert. Nicht gemeint ist allerdings der Fall, in dem der Arzt aufgrund einer Patientenverfügung eine ärztliche Maßnahme durchführt oder unterlässt, denn hierin liegt bereits eine antizipierte Einwilligung bzw. Untersagung. § 1829 BGB setzt nämlich regelmäßig eine Einwilligung bzw. einen Verzicht des Betreuers/Bevollmächtigten voraus.

Nicht ausdrücklich geregelt wurde, wie bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder Verbindlichkeit der Patientenverfügung verfahren werden soll. Es bleibt unklar, ob in diesen Fällen ebenfalls die Genehmigung des Betreuungsgerichts eingeholt werden muss oder kann. Auch hier gilt das oben Gesagte: Eine Genehmigung des Betreuungsgerichts ist zumindest dann nicht erforderlich, wenn zwischen Arzt und Betreuer keine Meinungsverschiedenheiten betreffend den Patientenwillen im Hinblick auf die ärztliche Maßnahme bestehen, arg. e. § 1829 Abs. 4 BGB. In jedem Fall trifft den behandelnden Arzt die Pflicht, mit dem Betreuer die angebotenen ärztlichen Maßnahmen und die Feststellung des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens des Betroffenen zu erörtern. Verweigert der Arzt derartige Erörterungen und kann eine Übereinstimmung der Feststellung eines konkreten Behandlungsangebots und insbesondere des mutmaßlichen Patientenwillens nicht festgestellt werden, ist eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. In Zweifelsfällen sollte im Interesse und zum Schutz des Lebens des Patienten das Betreuungsgericht jedoch regelmäßig eingeschaltet werden, um auf diese Weise zu verhindern, dass der Betreuer/Bevollmächtigte seine rechtlichen Befugnisse überschreitet und der Patient infolgedessen irreparable Schäden erleidet. Nur diese Vorgehensweise entspricht dem Sinn und Zweck der Einholung einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht: die präventive Kontrolle des Betreuers/Bevollmächtigten.

Wird die Einwilligung zur Durchführung der künstlichen Ernährung mit Hilfe einer PEG-Sonde widerrufen, ist nach der Entscheidung des AG Nordenham[50] eine gerichtliche Entscheidung nur einzuholen, wenn ein konkretes ärztliches Behandlungsangebot besteht und bei der Feststellung des Patientenwillens ein Dissens zwischen Betreuer und behandelndem Arzt aufgetreten ist. In diesem Fall muss der behandelnde Arzt mit dem Betreuer die angebotenen ärztlichen Maßnahmen und die Feststellung des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens des Betroffenen erörtern. Verweigert der Arzt derartige Erörterungen und kann eine Übereinstimmung der Feststellung eines konkreten Behandlungsangebotes und insbesondere des mutmaßlichen Patientenwillens nicht festgestellt werden, muss das Gericht eine eigene Entscheidung treffen.

Zur Frage, was unter einem schweren oder länger dauernden gesundheitlichen Schaden zu verstehen ist, wird auf die Ausführungen zu § 1829 Abs. 1 BGB verwiesen.

[50] AG Nordenham, Beschluss v. 20.3.2011, 9 XVII 8/00, FamRZ 2011, 1327-1329.

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