Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den dialogischen Prozess zwischen dem behandelnden Arzt und dem Betreuer und ggf. weiteren Personen herzustellen, soweit es um die Feststellung des Patientenwillens geht. Der Gesetzgeber hat zwar erkannt, dass sich die Pflichten des Arztes bereits aus dessen berufsrechtlichen Pflichten ergeben, hält im Hinblick auf die bestehenden Verunsicherungen in der Praxis eine klarstellende Regelung jedoch für sinnvoll.

Die Vorschrift regelt den Ablauf und die Aufgaben von behandelndem Arzt und Betreuer im Falle einer Einwilligungsunfähigkeit des Patienten. Sie steht im Widerspruch zu § 1828 Abs. 1 BGB. Das Gesetz ist an dieser Stelle ungenau, denn es wird nicht eindeutig klar, wer nun Prüfungskompetenzen hat und was geprüft wird. Die Vorschrift steht insbesondere im Widerspruch zu der Verbindlichkeit einer schriftlichen Patientenverfügung.

Nach Auffassung des Gesetzgebers in der Einzelbegründung zur Vorschrift des § 1828 Abs. 1 BGB soll die Ermittlung des mutmaßlichen Willens eines entscheidungsunfähigen Patienten Ergebnis eines dialogischen Prozesses zwischen dem behandelnden Arzt und dem Vertreter des entscheidungsunfähigen Patienten sein. Das ist sicher richtig und wünschenswert. Beim Vorliegen einer schriftlichen Patientenverfügung steht jedoch der Wille des Patienten bereits fest. Auf den mutmaßlichen Willen des Patienten kommt es mithin nicht an. Er muss bei Vorliegen einer schriftlichen Patientenverfügung demnach nicht ermittelt werden, sofern keine Zweifel an der Wirksamkeit seiner Verfügung bestehen. Prüfung durch den behandelnden Arzt, § 1828 Abs. 1 BGB

An erster Stelle soll nach der Einzelbegründung des Gesetzgebers zu § 1828 Abs. 1 BGB die ärztliche Indikation stehen. Der behandelnde Arzt soll prüfen, welche ärztliche Maßnahme indiziert ist, und zwar im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten. An zweiter Stelle soll, sofern ein Betreuer bestellt ist, die Erörterung dieser indizierten Maßnahme zwischen dem Betreuer und dem behandelnden Arzt stehen. Bei dieser Erörterung sollen sie den Patientenwillen nach § 1827 BGB berücksichtigen. Als Ergebnis dieser Erörterungen soll der Betreuer dann nach § 1827 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB entsprechend dem festgestellten Patientenwillen handeln.

Nach Auffassung der Verfasserinnen hat die Vorschrift lediglich deklaratorische Bedeutung. Es dürfte selbstverständlich sein, dass Ärzte bereits aufgrund ihres Berufsethos Überlegungen betreffend die Behandlungsmaßnahmen im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten anstellen und nicht erst auf das Eintreffen eines Betreuers oder Bevollmächtigten warten. Ärzte haben grundsätzlich die gesetzliche Pflicht, Leben so lange wie möglich zu erhalten und Entscheidungen im Sinne des Lebens zu treffen.

Gerade weil im Zuge der stets weiter fortschreitenden Technik und der Fortentwicklung der sogenannten "Apparatemedizin" immer mehr Menschen befürchten, dass ihr Leben künstlich erhalten wird, kam der Grundgedanke der Patientenverfügung auf. Zum Zeitpunkt des Eintreffens der Betreuers oder Bevollmächtigten steht daher in der Regel die ärztliche Prognose bereits fest mit der Folge, dass dem Betreuer/Bevollmächtigten die unterschiedlichen Behandlungsalternativen erläutert werden können. Ärzte unterlassen keine Behandlung, nur weil der Patient eventuell eine Patientenverfügung errichtet haben könnte, sondern sie behandeln im unterstellten mutmaßlichen Interesse des Patienten mit dem Ziel der Lebenserhaltung. Ebenso realitätsfern ist die Vorstellung, dass der Betreuer oder Bevollmächtigte die auf Basis der Patientenverfügung vorzunehmenden oder zu unterlassenden Maßnahmen nicht mit den behandelnden Ärzten bespricht. Der Betreuer kann und darf darüber hinaus die ärztlichen Behandlungsmaßnahmen nicht selbst durchführen. Dennoch ist begrüßenswert, dass die gegenseitige Verpflichtung zum Austausch zwischen Ärzteschaft und gesetzlichen Vertretern eines Patienten gesetzlich normiert wurde. Auf diese Weise wird das Risiko von vorschnellen Entscheidungen erheblich abgemildert.

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