Rz. 253

Im Gegensatz zu der sogenannten erbrechtlichen Lösung des § 1371 Abs. 1 BGB beinhalten die Absätze 2 und 3 des § 1371 BGB die sogenannte güterrechtliche Lösung der Frage des Zugewinns nach dem Tode des einen Ehegatten.

 

Rz. 254

Voraussetzung für die Anwendung des § 1371 Abs. 2 BGB ist, dass der überlebende Ehegatte weder gesetzlicher Erbe noch durch Testament bedacht ist. Ihm darf auch kein Vermächtnis zustehen. Der überlebende Ehegatte muss also entweder

  • durch Verfügung von Todes wegen enterbt worden sein,
  • von Gesetzes wegen von der Erbschaft ausgeschlossen sein, was beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 1933 BGB der Fall ist,
  • durch rechtskräftige Entscheidung für erbunwürdig erklärt worden sein oder
  • einen notariellen Erbverzicht abgegeben haben.
 

Rz. 255

Die güterrechtliche Lösung gelangt nach § 1371 Abs. 3 BGB auch dann zur Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe geworden ist, weil er die Erbschaft wirksam nach §§ 1943 ff. BGB ausgeschlagen hat. Wählt der überlebende Ehegatte diesen Weg, ist im Hinblick auf die sechswöchige Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB Eile geboten. Auch wenn ein Vermächtnis zugewendet wurde, kann dieses ausgeschlagen werden mit der Folge, dass die güterrechtliche Lösung greift. Die Ausschlagung eines Vermächtnisses unterliegt anders als bei der Ausschlagung des Erbes keiner Frist. Ist das Vermächtnis jedoch zuvor bereits angenommen worden, scheidet eine Ausschlagung aus (§ 2180 BGB).

 

Empfehlung:

Hier ist zu beachten, dass der Voraus nach § 1932 BGB mit dem gesetzlichen Erbteil verbunden ist und im Falle der Ausschlagung verloren geht.

 

Rz. 256

Liegen die Voraussetzungen für die güterrechtliche Lösung vor, kann der überlebende Ehegatte den Zugewinnausgleichsanspruch nach allgemeinen Regeln geltend machen. Für die Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs ist auf den Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Ehegatten abzustellen. Nach herrschender Ansicht ist für den Fall, dass zum Todeszeitpunkt bereits ein Scheidungsantrag oder ein Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich rechtshängig war und die Anträge letztendlich erfolgreich gewesen wären, in analoger Anwendung der §§ 1384, 1387 BGB auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit dieser Anträge abzustellen.[1]

 

Rz. 257

Neben dem Zugewinnausgleichsanspruch kann der überlebende Ehegatte sowohl im Falle des § 1371 Abs. 2 BGB als auch des § 1371 Abs. 3 BGB den kleinen Pflichtteil gemäß §§ 1931, 2303 BGB beanspruchen. Dies gilt im Falle der Ausschlagung auch dann, wenn ihm nach den erbrechtlichen Vorschriften der Pflichtteil nicht zugestanden hätte. Nach § 1371 Abs. 3 2. Halbsatz BGB besteht jedoch dann kein Pflichtteilsanspruch, wenn der überlebende Ehegatte durch Vertrag mit dem Verstorbenen auf sein gesetzliches Erbrecht oder sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat.

Zu beachten ist, dass der Zugewinnausgleichsanspruch als Nachlassverbindlichkeit vor der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs vom Nachlass abzuziehen ist.[2]

 

Beispiel

Die Ausschlagung der Erbschaft mit dem Ziel, die güterrechtliche Lösung greifen zu lassen, kann sich insbesondere dann lohnen, wenn eine hohe Zugewinnausgleichsforderung besteht, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht.

Der Ehemann M hinterlässt einen Nachlass in Höhe von 200.000 EUR. Dieses Vermögen ist von ihm während der Ehe erwirtschaftet worden. Die Ehefrau F hat keinen Zugewinn erzielt. Die Eheleute haben zwei Kinder. Ein Testament existiert nicht. M stirbt.

Nach der erbrechtlichen Lösung könnte F beanspruchen:

also insgesamt 1/2 von 200.000 = 100.000 EUR

Nach der güterrechtlichen Lösung könnte F, wenn sie das Erbe gemäß § 1942 ff. BGB ausschlägt, beanspruchen:

  • den Zugewinnausgleichsanspruch i. H. v. 100.000 EUR
  • plus den kleinen Pflichtteilsanspruch, 1/8 von 100.000 EUR (da der Wert des Nachlasses nach Abzug der Passiva, wozu auch der Zugewinnausgleichsanspruch gehört, 100.000 EUR umfasst), mithin 12.500 EUR

also insgesamt 112.500 EUR

[1] BGH, FamRZ 2004, 327, BGHZ 99, 304; a.A OLG Celle, Urteil v. 6.9.1983, 18 UF 35/83, FamRZ 1984, 5.
[2] BGH, Urteil v. 21.3.1962, IV ZR 251/61, FamRZ 1962, 372.

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