Rz. 247

Auch wenn die Realität jeder dritten Ehe anders aussieht, wird die Ehe auf Lebenszeit geschlossen (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dementsprechend wird der Güterstand im Normalfall durch den Tod eines Ehegatten beendet. Wie der Ausgleich des Zugewinns bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod funktioniert, ist in § 1371 BGB geregelt. § 1371 BGB schafft eine Verbindung zwischen dem Güterrecht und dem Erbrecht.

 

Rz. 248

Nach der sogenannten erbrechtlichen Lösung des § 1371 Abs. 1 BGB erhält der überlebende Ehegatte zusätzlich zu seiner erbrechtlichen Quote ein weiteres Viertel. Diese Erhöhung um ein Viertel tritt unabhängig davon ein, ob tatsächlich ein Zugewinn während der Ehezeit erzielt wurde, beziehungsweise sich ein Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten ergeben hätte. Grundgedanke der in § 1371 Abs. 1 BGB getroffenen erbrechtlichen Lösung ist es, dass mit der vorgesehenen Begünstigung des überlebenden Ehegatten in schematischer und pauschalierender Weise der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns, den der überlebende Ehegatte sonst ggf. gehabt hätte, ausgeglichen werden soll.[1] Auf diese Weise soll eine unter Umständen schwierige Ermittlung des auszugleichenden Zugewinns vermieden werden. Dabei nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass der überlebende Ehegatte unter Umständen günstiger gestellt wird, als es bei einem Ausgleich des Zugewinns sonst der Fall sein würde. Dieser um ein Viertel erhöhte Erbteil ist gegebenenfalls nach der Bestimmung des § 1371 Abs. 4 BGB mit Unterhaltsansprüchen der Abkömmlinge des verstorbenen Ehegatten belastet.

 

Rz. 249

Im Gegensatz zur erbrechtlichen Lösung findet die güterrechtliche Lösung Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe wird und ihm auch kein Vermächtnis zusteht. Die güterrechtliche Lösung beinhaltet, dass der überlebende Ehegatte einen Zugewinnausgleichsanspruch nach Maßgabe der §§ 1373 ff. BGB hat, der dann gegen die Erben als schuldrechtlicher Anspruch durchzusetzen ist. Neben dem Zugewinnausgleichsanspruch kann er zusätzlich den sich aus den allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften ergebenden kleinen Pflichtteilsanspruch geltend machen.

 

Empfehlung:

Aus den vorstehenden Ausführungen ist ersichtlich, dass der nicht erbberechtigte Ehegatte wirtschaftlich besser stehen kann als der erbberechtigte Ehegatte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der verstorbene Ehegatte einen hohen Zugewinn erzielt hat und sich ein entsprechend hoher Zugewinnausgleichsanspruch darstellen lässt. In solchen Fallkonstellationen kann es für den überlebenden Ehegatten sinnvoll sein, aus taktischen Gründen das Erbe auszuschlagen und so die güterrechtliche Lösung zu wählen, wie sich noch im Folgenden zeigen wird.

 

Rz. 250

§ 1371 BGB setzt generell voraus, dass die Ehegatten zum Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Stirbt ein Ehegatte während des laufenden Scheidungsverfahrens, endet der Güterstand durch den Tod, wenn der Scheidungsbeschluss noch nicht rechtskräftig geworden ist.

[1] BGH, Urteil v. 25.6.1964, III ZR 90/63, BGHZ 42, 182 = NJW 1964, 2404.

4.1 Die erbrechtliche Lösung des § 1371 Abs. 1 BGB

 

Rz. 251

Die erbrechtliche Lösung des § 1371 Abs. 1 BGB kommt zum Tragen, wenn der überlebende Ehegatte entweder Erbe oder Vermächtnisnehmer des verstorbenen Ehegatten ist.

In welcher Form der überlebende Ehegatte dabei erbt, ist irrelevant. Die Vor- und Nacherbschaft stehen insoweit der Vorerbschaft gleich.[1] Bei der Frage, ob der überlebende Ehegatte als Vermächtnisnehmer angesehen werden kann, wenn diesem lediglich der Pflichtteil zugewandt worden ist, ist zu differenzieren. Die Verweisung auf den sogenannten kleinen Pflichtteil stellt nach allgemeiner Auffassung eine Enterbung dar, sodass dem überlebenden Ehegatten in diesen Fällen nicht die erbrechtliche Lösung offen steht, er vielmehr auf die güterrechtliche Lösung des § 1371 Abs. 2 BGB zu verweisen ist. Ist hingegen der große Pflichtteil zugedacht worden, ist nach der Auslegungsregel des § 2304 BGB von einem Vermächtnis auszugehen.[2]

 

Rz. 252

Greift die erbrechtliche Lösung, wird bei Beendigung des gesetzlichen Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der aus § 1931 BGB ergebende gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten pauschal um 1/4 erhöht. Ein weiterer Zugewinnausgleich findet daneben nicht statt. Dabei ist es völlig ohne Bedeutung, ob die Ehegatten im einzelnen Fall einen Zugewinn erzielt haben oder nicht.

Der Erbteil des überlebenden Ehegatten beträgt dann

[1] Koch, ...

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