Rz. 76

Die zweite Alternative des § 1374 Abs. 2 BGB ist einschlägig, wenn die Handelnden mit der Verschaffung des Vermögensgegenstandes einen erst zukünftigen Erbgang haben vorwegnehmen wollen. Ob ein Vermögen mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht übergeben und erworben wird und damit aufgrund der Regel des § 1374 Abs. 2 BGB als Vermögensposten dem Zugewinn entzogen bleibt, richtet sich in erster Linie danach, ob die Vertragschließenden mit der Übergabe einen erst zukünftigen Erbgang vorwegnehmen wollen.[1]

Ob es sich bei einem Vertrag tatsächlich um eine vorweggenommene Erbfolge handelt, muss durch Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Vorgeschichte und der Interessenlage der Beteiligten ermittelt werden[2]

Entscheidend für die Beurteilung, ob ein privilegierter Erwerb i. S. v. § 1374 Abs. 2 BGB vorliegt, ist letztlich, dass die persönliche Beziehung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber bei Vertragsschluss im Vordergrund steht. Denn der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1374 Abs. 2 BGB besteht darin, solche Vermögensbestandteile der Ausgleichspflicht zu entziehen, die in keinem Zusammenhang mit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft stehen, oder die einem Ehegatten von Dritten aufgrund persönlicher Beziehungen oder ähnlicher Umstände zufließen, an denen der andere Ehegatte keinen Anteil hat. Insoweit besteht kein Grund dafür, einen Ehegatten an einem Erwerb zu beteiligen, der dem anderen aus erbrechtlichen Gründen zugefallen ist. Erreicht wird dieser Ausschluss dadurch, dass der Wert des Erwerbs dem Anfangsvermögen zugeschlagen wird. Aus diesem Grund kann die Bestimmung des § 1374 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch dann Anwendung finden, wenn der Erwerb zwar mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfolgt, jedoch aus bestimmten Gründen in die Rechtsform eines Kaufvertrages gekleidet worden ist. Erforderlich hierfür ist wiederum, dass ausreichend Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass trotz der Wahl der Rechtsform eines Kaufvertrages, ein künftiger Erbgang vorweggenommen werden soll[3].

Ein privilegierter Erwerb i. S. v. § 1374 Abs. 2 BGBist jedenfalls dann anzunehmen, wenn einem Abkömmling ein Grundstück, ein landwirtschaftliches Anwesen oder ein Unternehmen von seinen Eltern oder einem Elternteil unter Lebenden übergeben wird.[4] Soweit in Verträgen dieser Art der Übernehmer den Übergeber von noch bestehenden Belastungen freistellt, ihm ein Leibgedinge (Altenteil) einräumt, mit dem er insbesondere den Wohn- und Pflegebedarf und damit einen wichtigen Teil der Lebensbedürfnisse des zumeist bereits betagten Vertragspartners für dessen Lebensabend sichert, und soweit er sich zur Übernahme der Beerdigungskosten und zur späteren Grabpflege verpflichtet, handelt es sich um ein Gefüge von Abreden, die für vorweggenommene Erbfolgen geradezu typisch sind. Sie stellen daher die Qualifikation des Erwerbstatbestandes als eines solchen "mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht" regelmäßig nicht infrage, deuten vielmehr auf einen solchen hin. Eine Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an erbberechtigte Geschwister ist ein weiteres deutliches Anzeichen dafür, dass die Vertragschließenden den Übernehmer als durch eine vorweggenommene Erbfolge begünstigt angesehen haben. Allerdings sind Verpflichtungen, an Dritte Ausgleichszahlungen zu erbringen, von dem übernommenen Vermögen abzuziehen.

 

Rz. 77

Unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten unterfallen auch dann nicht dem § 1374 Abs. 2 BGB, wenn sie mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfolgt sind.[5]

[1] Siede, in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 1376, Rn. 14.
[2] BGH, Urteil v. 1.2.1995, IV ZR 36/94.
[3] OLG Bremen, Urteil v. 20.7.2022, 4 U 24/21.

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