Leitsatz

(Vorlage an den BGH)

 

Normenkette

§ 23 WEG, § 24 WEG

 

Kommentar

1. Auch einer (fehlerhaften) Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter ist grundsätzlich keine rechtliche Bedeutung im Sinne einer konstitutiven Beschlusswirkung beizumessen, was derzeit auch h.M. entspricht. Allerdings hat das OLG Hamm am 28.12.1989 (Az.: 15 W 441/89) und am 07.06.1979 (Az.: 15 W 56/79) entgegengesetzt entschieden, so dass die Streitsache zur abschließenden Klärung dem BGH vorzulegen war.

2. Vorliegend ging es um eine unrichtige Wertung der Stimmenthaltungen durch den Versammlungsleiter entgegen der herrschenden Rechtsmeinung, dass solche Stimmenthaltungen bei der Bestimmung (Berechnung) der Mehrheit im Sinne von § 25 Abs. 1 WEG nicht mitzuzählen seien. Richtigerweise wäre deshalb im vorliegenden Fall von einem positiven Mehrheitsbeschluss auszugehen gewesen (entgegen der Feststellungen des Versammlungsleiters); entscheidend ist für einen zustande gekommenen Beschluss allein, ob die abgegebenen Ja-Stimmen die Nein-Stimmen überwiegen; wer sich der Stimme enthält, will weder ein zustimmendes noch ein ablehnendes Votum, sondern seine "Unentschiedenheit" bekunden; er will auf die Beschlussfassung nicht anders einwirken, als wenn er der Versammlung fern geblieben wäre oder sich vor der Abstimmung entfernt hätte.

3. In solchen Fällen geht die derzeit h. M. davon aus, dass der (unrichtigen) Feststellung des Versammlungsleiters grundsätzlich keine ausschlaggebende oder konstitutive, sondern allenfalls eine deklaratorische Bedeutung besitzt, was umso mehr gilt, wenn die Feststellung im Widerspruch zu dem gleichfalls festgestellten Abstimmungsergebnis steht. Vorliegend ergibt objektive Auslegung anhand der Versammlungsniederschrift ohne Zweifel, dass die Mehrheit einen Beschlussantrag angenommen hat. Im WEG setzt sich die Beschlussfassung zusammen aus dem Beschlussantrag und der Abstimmung hierüber (Bub, ZWE 2000, 201). Ein Beschluss ist schon existent, wenn die erforderliche Mehrheit dem Beschlussantrag in der Versammlung zugestimmt hat. Die erforderliche Ergebnisprotokollierung ist rechtlich bedeutsam insbesondere im Hinblick auf die Bindungswirkung von Beschlüssen nach § 10 Abs. 3 WEG. Eine Wiedergabe etwaiger Beschlussfeststellungen eines Versammlungsvorsitzenden fordert das Gesetz nicht; auch die Protokollierung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Beschluss, sondern dient vor allem der Beweissicherung und Klarstellung. Im Aktien- und Genossenschaftsrecht ist insoweit die Sach- und Rechtslage anders und dort gesetzlich geregelt (a. A. Wenzel, ZWE 2000, 385). Kommt der Feststellung des Vorsitzenden über das Beschlussergebnis keine konstitutive Wirkung zu, bleibt auch eine fehlerhafte Feststellung ohne Einfluss auf das Beschlussergebnis, die dann zwar beseitigt werden kann, aber nicht beseitigt werden muss.

Demgegenüber vertrat das OLG Hamm die Auffassung, dass der Feststellung des Vorsitzenden in der Versammlung, ein Antrag habe die erforderliche Mehrheit nicht gefunden, und es sei damit kein Eigentümerbeschluss zustande gekommen, vorläufig verbindlich sei, wenn die Sachlage nicht so eindeutig sei, dass auch ohne Verkündung durch den Vorsitzenden eine eindeutig protokollarisch festgelegte Willensäußerung der Eigentümerversammlung vorliege. Hier sei es zur Beseitigung der Rechtswirkung einer sonach vorläufig verbindlichen Feststellung form- und fristgemäße Anfechtung des Beschlusses erforderlich, verbunden mit dem weiteren Antrag auf positive Feststellung des rechtlich wirklich gefassten, jedoch in der Niederschrift nicht festgestellten Beschlusses. Dementsprechend wäre im Streitfall die Entscheidung eines Versammlungsleiters, dass kein gültiger Beschluss gefasst worden sei, verbindlich.

4. Grundsätzlich zulässig sind auch abändernde Zweitbeschlüsse; damit ist eine Gemeinschaft auch befugt, über eine bereits geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen, wobei der neue Beschluss aber nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG schutzwürdige Belange eines Wohnungseigentümers aus dem Inhalt und den Wirkungen des Erstbeschlusses zu beachten hat (vgl. BGH, NJW 1991, 979 = ZMR 1991, 146).

 

Link zur Entscheidung

( OLG Köln, Beschluss vom 16.02.2001, 16 Wx 4/01 = ZMR 5/2001, 387 mit Anmerkung Rinke = ZWE 6/2001, 280 mit Aufsatz Becker/ Gregor Seiten 245 ff.)

Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Mit Spannung ist eine neue BGH-Grundsatzentscheidung zu einem seit langer Zeit in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Detailproblem zu erwarten. Folgt hier der BGH der bisher herrschenden Rechtsmeinung zur Frage des Wirksamwerdens und der Existenz eines wohnungseigentumsrechtlichen Beschlusses oder schon früherer Mindermeinung (von Merle, seinerzeit auch von mir vertreten und der früheren Rechtsprechung des OLG Hamm, neuerlich auch favorisiert von Wenzel in seinem Aufsatz ZWE 9/2000, 382, 384, 386). Ich neige heute eher der derzeit (noch?) herrschenden Rechtsmeinung zu, da das WEG bisher (ob bewusst oder...

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