Das Pflichtteilsrecht schränkt gem. §§ 2303 ff. BGB als Ausdruck familiärer Solidarität die Testierfreiheit ein, indem Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und Lebenspartner von Gesetzes wegen auch dann im Umfang des halben gesetzlichen Erbteils am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet die Einschränkung der Testierfreiheit ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung in der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG.[1] Im Fall des Pflichtteilsrechts schränkt der Gesetzgeber also die Freiheit des Einzelnen ein bestimmte Personen letztwillig bewusst nicht zu bedenken.

In Fällen, in denen eine Teilhabe am Nachlass wegen Entfremdung und Zerrüttung der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht mehr gerechtfertigt ist, kommt § 2333 BGB (Pflichtteilsentziehung) korrigierend zum Tragen. Die Pflichtteilsentziehungsgründe sind in § 2333 Abs. 1 BGB abschließend geregelt und nicht analogiefähig[2]. Neben den katalogmäßigen Straftaten des Kern- und Nebenstrafrechts stellt nach § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB insbesondere die böswillige Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht trotz gegebener Leistungsfähigkeit den Hauptanwendungsfall der Pflichtteilsentziehung dar[3].

Die Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Pflichtteilsentziehungsgrundes obliegt dem Pflichtteilsschuldner (§ 2336 Abs. 3 BGB), diejenige für das Erlöschen des Pflichtteilsentziehungsrechts durch Verzeihung (§ 2337 BGB) obliegt dem Pflichtteilsberechtigten, wobei die Verzeihung auch durch schlüssiges Handeln[4] erfolgen kann.

Pflichtteilsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährung von 3 Jahren ab Kenntnis von der Enterbung und können bei Verhandlungen oder durch ein Mediationsverfahren auch gehemmt werden.

 
Achtung

Bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen Beschenkte beginnt die Verjährung unabhängig von der Kenntnis vom Erbfall bereits mit dem Erbfall, § 2332 Abs. 1 BGB.

Selbstverständlich ist es dem Pflichtteilsberechtigten unbenommen seinen Pflichtteilsanspruch bewusst nicht (fristgerecht nach §§ 2303, 195 BGB) geltend zu machen oder auf seinen Pflichtteil zu verzichten.[5]

[1] Vgl. BVerfG, Beschluss v. 19.4.2005, 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03, BVerfGE 112 S. 332.
[2] Vgl. BGH, Urteil v. 1.3.1974, IV ZR 58/72, NJW 1974 S. 1084.
[3] Vgl. Weidlich in Grüneberg, 82. Aufl. 2023, BGB, § 2333 Rn. 9. Jedoch stellt die Verweigerung persönlicher Pflege wegen der unterhaltsrechtlichen Geldleistungspflicht keinen Pflichtteilsentziehungsgrund dar, so OLG Frankfurt, Urteil v 29.10.2013, 15 U 61/12, FamRZ 2014 S. 1149 ff.
[4] Vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 24.1.2019, 19 U 80/18, m. w. N., MDR 2019 S. 555 f.
[5] Der Pflichtteilsverzicht ist gem. § 2348 BGB notariell zu beurkunden und erstreckt sich gem. § 2349 BGB grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden.

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