Leitsatz

Vor über 30 Jahren durch bestandskräftig gewordenen Beschluss geduldete Terrassennutzung vor einem Café-Teileigentum lässt zum einen heutige Gegenrechte (ein Beseitigungsverlangen) als verwirkt, zum anderen als wirksam beschlossene Gebrauchsduldung erscheinen

 

Normenkette

(§§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 21 Abs. 4, 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 WEG; §§ 242, 1004, 1011 BGB)

 

Kommentar

1. Einem Teileigentümer wurde bereits 1969 laut Protokoll gestattet: "Die sich vor dem Café S. befindende Terrasse kann weiterhin von Herrn S. (dem Vater des Antragsgegners) genutzt werden, da er sich die Terrasse selbst angelegt hat und auch für die Unterhaltung und Sauberkeit voll aufkommt." Zudem wurde dem Antragsgegner in einer Eigentümerversammlung von 1998 gestattet, auf eigene Kosten und mit der Verpflichtung zum Unterhalt den der Café-Terrasse vorgelagerten Garten neu zu gestalten und dort einen Springbrunnen aufzustellen. Bestrittenermaßen soll der Antragsgegner auch etwa 1996/1997 die Terrasse erheblich erweitert haben.

In allen Instanzen wurde der Verpflichtungsantrag eines Miteigentümers auf Verkleinerung bzw. Beseitigung der Terrasse zurückgewiesen.

2. Das Anlegen wie auch das Vergrößern der Terrasse ist eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, die grundsätzlich der Zustimmung der durch die Mitgebrauchseinschränkungen einerseits und die intensivere Nutzung durch den Antragsgegner andererseits beeinträchtigten restlichen Eigentümer bedarf. Die Zustimmung zu baulichen Veränderungen ist allerdings an keine Form gebunden und bedarf deshalb nicht eines Eigentümerbeschlusses, kann sogar stillschweigend erklärt werden (BayObLG, ZMR 2001, 640; NZM 1999, 1009, 1010).

Nach verbindlicher Feststellung des Landgerichts bestand die Terrasse schon Ende der 60er Jahre im jetzigen Umfang, ohne dass bisher wesentliche Erweiterungen durch den Antragsgegner erfolgt seien. Allein der Austausch des Untergrundes und der Bodenplatten im Jahr 1995 unter Beibehaltung der äußeren Ausmaße der Terrasse stellt sich nicht als bauliche Veränderung, sondern als Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums dar.

Das Beseitigungsverlangen ist i.Ü. im vorliegenden Fall verwirkt, ohne dass der Frage näher nachgegangen werden muss, ob 1968 auch die Antragstellerseite der baulichen Veränderung bindend zugestimmt hat. Zeit- und Umstandsmoment der Verwirkung sind als erfüllt anzusehen; der Verpflichtete hat hier auch im Hinblick auf die bisher unterbliebene Geltendmachung von Gegenrechten weitere Dispositionen getroffen. Von Anfang an kannte die Antragstellerseite die Größe der Terrasse und nahm deren Vorhandensein auch ohne Beanstandungen jahrelang hin. Damit ist das heutige Beseitigungsbegehren treuwidrig.

Eine Sondernutzung wurde insoweit allerdings nicht begründet, da eine solche auch nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch allseitige Vereinbarung geregelt werden könnte (h.M.); auch ein bestandskräftig gewordener Mehrheitsbeschluss wäre hierfür nicht ausreichend, sondern sogar wegen fehlender Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung nichtig (BGH v. 20.9.2000, BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500).

Ein solcher, heute geltend gemachter Beseitigungsantrag enthält auch die Einschränkung der Nutzung von Gemeinschaftsflächen zu gastronomischen Zwecken; im Kern geht es dem Antragsteller somit auch um ein Verbot des gastronomischen Betriebs in seiner erweiterten Form; dies steht im Widerspruch zur Entscheidung der Eigentümer von 1968, die als formeller Eigentümerbeschluss gewertet werden kann; mangelhafte Niederschrift hat insoweit keine gestaltende Wirkung. Inhaltlich ist dem seinerzeitigen Eigentümerbeschluss auch nicht die Einräumung ausschließlicher Gebrauchsrechte an der gemeinschaftlichen Grundstücksteilfläche, sondern eine – jederzeit widerrufliche – Duldung des Gebrauchs durch den Inhaber der Gewerbeeinheit zu entnehmen. Somit kommt aus heutiger Sicht (neuer Rechtsmeinung) auch keine Nichtigkeit des Beschlusses von 1968 in Betracht. Ob der Beschluss in Anbetracht nachfolgend nicht behandelter oder abgelehnter Entgeltzahlungen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, mag hier dahinstehen, da die 1968 geschaffene Rechtslage heute fortbesteht. Die antragstellerseits erwähnte Entscheidung des KG vom 28.5.1999 (ZMR 1999, 657) habe i.Ü. einen von der damals überwiegenden Meinung als zulässig erachteten "vereinbarungsersetzenden Mehrheitsbeschluss" mit Gültigkeitswirkungen auch gegenüber Rechtsnachfolgern betroffen, um den es hier jedoch nicht geht.

3. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von 20.000 DM.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 25.09.2001, 2Z BR 65/01)

Anmerkung

Interessant ist an dieser Entscheidung, dass der Senat ungeachtet der neuen Rechtsmeinung den seinerzeitigen Eigentümerbeschluss von 1968 nicht in dem Sinne gewertet hat, dass damit dem Antragsgegner an der Terrasse ohne Entgelt ausschließliche Gebrauchsrechte eingeräumt wurden (mit evtl. rückw...

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