Rz. 2

Der Umfang der Beweiskraft des Erbscheins ist umstritten. Zwar stellt das Nachlassgericht durch die Ausstellung des Erbscheins gerade ausdrücklich amtlich fest, dass der in dem Erbschein aufgeführte Erbe Rechtsnachfolger des Erblassers geworden ist, mit oder ohne Beschränkungen, jedoch ist im Erbprozess der Erbschein kein ausreichendes Beweismittel zum Nachweis des geltend gemachten Erbrechts.[4] Macht ein Erbpätendent in einem Zivilverfahren seinen erbrechtlichen Anspruch geltend, ist das Prozessgericht nicht an die Entscheidung des Nachlassgerichts gebunden.[5] Deshalb kann derjenige, der gegen einen anderen Erbprätendenten, dem bereits ein Erbschein erteilt wurde, sämtliche Beweismittel, die auch schon dem Nachlassgericht vorgelegt wurden, erneut in den Zivilprozess als zulässige Beweismittel einführen. Es gelten die allg. Beweisregeln des Zivilprozessrechts.[6] Der Beweis der gegenteiligen Rechtslage und somit der Rechtsvermutung nach § 2365 BGB kann durch den Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO erfolgen. Der Ansicht ist Recht zu geben, wonach unabhängig von der Parteirolle § 2365 BGB im Zivilprozess über das Erbrecht keine Anwendung findet und insofern grds. auch keine Beweislastverteilung durch § 2365 BGB gegeben ist.[7] Liegen mehrere sich widersprechende Erbscheine für denselben Erbfall vor, was häufiger in der Praxis der Fall ist, wenn sich mehrere Gerichte für den Erbfall für zuständig erachten, so ist zu fragen, wie weit die Rechtsvermutung des § 2365 BGB für den einzelnen Erbschein reicht. Weisen bspw. zwei Erbscheine dasselbe Erbrecht aus, so darf für beide die Rechtsvermutung des § 2365 BGB vollständig angenommen werden. Sind jedoch verschiedene Erbscheine für denselben Erbfall inhaltlich widersprüchlich, so ist die Rechtsvermutung nach der h.M., der zuzustimmen ist,[8] zumindest hinsichtlich der Reichweite der Widersprüche nicht gegeben. Die Rechtsvermutung des § 2365 BGB gilt auch insoweit für das Grundbuchamt und das Handelsregister.[9] Zu den sonstigen Nachweisen des Erbrechts vgl. Vorbem. zu §§ 2353 ff. Rdn 7.

[4] MüKo/Grziwotz, § 2365 Rn 22 ff; Scheer, Erbschein, S. 47.
[6] Brox/Walker, Erbrecht, Rn 588; Palandt/Weidlich, § 2365 Rn 4.
[7] Palandt/Weidlich, § 2365 Rn 4; Soergel/Zimmermann, § 2365 Rn 2; differenzierend MüKo/Grziwotz, § 2365 Rn 22.
[8] MüKo/Mayer, § 2365 Rn 22 ff.; Soergel/Zimmermann, § 2365 Rn 2; Brox/Walker, Erbrecht, Rn 589; einschränkend Lemke, Diss. 1981, S. 57.
[9] MüKo/Grziwotz, § 2365 Rn 24, 28.

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