Rz. 20

Nach der h.M. erstreckte sich die Wirkung des Zuwendungsverzichts eines Abkömmlings oder eines Seitenverwandten des Erblassers nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden.[22] Ebenso wenig sollte es möglich sein, den Verzicht durch ausdrückliche Vereinbarung auf die Abkömmlinge zu erstrecken. Daher konnte es sein, dass an die Stelle des Verzichtenden dessen Abkömmlinge aufgrund der Auslegungsregel des § 2069 BGB oder einer ausdrücklichen Berufung als Ersatzerben traten. Wurden ausdrücklich Ersatzerben bestimmt, musste durch Auslegung der letztwilligen Verfügung festgestellt werden, ob die Ersatzberufung auch für den Fall eines späteren Zuwendungsverzichts des Erbberechtigten gewollt gewesen ist.

Eine Auslegung eines Vertrages, der vor dem 1.1.2010 beurkundet wurde, in der Art und Weise, dass es zu einer Erstreckung auf Abkömmlinge kommt, ist nicht möglich.[23]

 

Rz. 21

Eine Ersatzerbeneinsetzung konnte dann entfallen, wenn der Zuwendungsverzicht gegen eine vollständige Abfindung erfolgte;[24] in diesem Fall wurde auch davon ausgegangen, dass – ohne ausdrückliche Bestimmung – eine Vermutung gegen eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB bestand.[25] Insbesondere beim bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag war daher zu beachten: War der Verzichtende ein Abkömmling des Erblassers oder des (vorverstorbenen) Ehegatten, wurden gem. § 2069 BGB regelmäßig dessen Kinder (Ersatz-)Erben. Auch diese müssten in einem notariellen Vertrag auf die Zuwendung verzichtet haben, um die volle Testierfreiheit des Erblassers wiederherzustellen. Eine Mindermeinung[26] wollte dieses Problem umgehen, indem sie die Wirkung des Zuwendungsverzichts gem. § 2349 BGB analog auf die Abkömmlinge erstreckte. Allein der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht berührte Zuwendungen nicht und führte daher nicht zu einem Wegfall des Bedachten. Der Verzicht stand, wenn der Verzichtende stirbt oder aus anderen Gründen wegfällt, auch nicht einer Ersatzberufung seiner Abkömmlinge entgegen.

[22] OLG Düsseldorf DNotZ 1974, 367; OLG Stuttgart NJW 1958, 347; OLG Hamm MDR 1982, 320; OLG Köln FamRZ 1990, 99; OLG Frankfurt ZEV 1997, 454 m. Anm. J. Mayer; BayObLG Rpfleger 1984, 65; Grziwotz, ErbR 2018, 62, 64.
[24] OLG Köln FamRZ 1990, 99; BayObLG ZEV 1997, 377; a.A. wohl OLG Frankfurt ZEV 1997, 454.
[25] BGH NJW 1974, 43 f.; vgl. auch Staudinger/Otte, § 2069 Rn 15.
[26] Staudinger/Schotten, § 2352 Rn 37.

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