Gesetzestext

 

(1)1Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers können durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. 2Der Verzichtende ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat kein Pflichtteilsrecht.

(2)Der Verzicht kann auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Der Abschnitt 7 ist zwar mit "Erbverzicht" betitelt. Praktische Bedeutung hat aber fast ausschließlich der Pflichtteilsverzicht. Nur in wenigen Punkten ist eine Differenzierung wichtig, so dass im Folgenden mit dem Begriff "Verzicht" sowohl der Erb- als auch der Pflichtteilsverzicht gemeint sind, wenn es nicht ausdrücklich anders vermerkt wird.

B. Tatbestand

I. Erblasser

 

Rz. 2

An dem Verzichtsvertrag muss auf der einen Seite der (potentielle) Erblasser beteiligt sein. Der Vertrag von Dritten über den Nachlass eines noch Lebenden ist gem. § 311b Abs. 4 BGB nichtig. Nach dem Tod des Erblassers kann ein Verzichtsvertragsangebot nach der h.M. von dessen Erben nicht mehr angenommen werden (vgl. § 2347 Rdn 9). Gem. § 10 Abs. 7 LPartG gelten die Vorschriften über den Erbverzicht entsprechend.

II. Verzichtender

 

Rz. 3

Verwandte und der Ehegatte können verzichten, der Fiskus nicht. Der Verzichtende muss nicht pflichtteilsberechtigt und auch nicht nächstberufener Erbe sein. Es kann auch vor dem Entstehen des Verwandtschaftsverhältnisses bzw. vor der Eheschließung wirksam verzichtet werden, also insbesondere auch durch Verlobte und vor einer Adoption[1] oder vor der Anerkennung oder Feststellung einer Vaterschaft.

[1] OLG Hamm Rpfleger 1952, 89.

III. Vertrag

1. Form, Vertretung

 

Rz. 4

Regelungen zu Form und Vertretung enthalten §§ 2347 f. BGB.

2. Abstraktionsprinzip

 

Rz. 5

Beim Erb- und Pflichtteilsverzicht gilt das Abstraktionsprinzip. Der Verzichtsvertrag ist ein abstraktes, erbrechtliches Verfügungsgeschäft. Er ist kein gegenseitiger Vertrag i.S.v. §§ 320 ff. BGB.

Daneben wird ein schuldrechtliches Kausalgeschäft geschlossen. Es ist ein Vertrag i.S.v. §§ 320 ff. BGB. Er wird im Gesetz zwar nicht erwähnt, ist aber heute nach fast allgemeiner Meinung anerkannt.[2]

[2] BGH NJW 1997, 653; Zimmer, NJW 2017, 513; v. Proff zu Irnich, DNotZ 2017, 84.

3. Schuldrechtliches Kausalgeschäft

a) Allgemeines

 

Rz. 6

Der Verzicht kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Der unentgeltliche Verzicht ist relativ häufig. Abkömmlinge erklären ihn z.B. aufgrund elterlicher Autorität, sittlichen Verpflichtungsgefühls oder auch rechtlicher Unkenntnis. Oft wird ihnen von den Eltern zugesichert, dass sie nach dem letztversterbenden Elternteil Erben werden würden. Eine erbvertragliche Bindung der Eltern erfolgt aber meist ebenso wenig wie eine Aufklärung über die Gefahr des "Verschwindens" von Vermögen zu Lebzeiten der Eltern und über die Schwäche des Anspruchs aus § 2287 BGB (analog).

b) Unentgeltlicher Verzicht

 

Rz. 7

Der unentgeltlich erklärte Verzicht ist nach allgemeiner Meinung keine Schenkung des Verzichtenden. Im Moment des Verzichts wird das Vermögen des Erblassers nicht bereichert, wie es § 516 Abs. 1 BGB verlangt, und das des Verzichtenden nicht gemindert. Schließlich stellt § 517 BGB klar, dass – obwohl der Verzichtsempfänger einen Vorteil erhält – u.a. der Verzicht auf ein angefallenes, aber noch nicht endgültig erworbenes Recht oder die Ausschlagung einer Erbschaft keine Schenkungen darstellen.

c) Entgeltlicher Verzicht

 

Rz. 8

Eine Abfindung für einen Erbverzicht ist, soweit sie in der Höhe der Erberwartung entspricht, keine unentgeltliche Zuwendung und löst daher keine Pflichtteilergänzungsansprüche nach § 2325 BGB aus;[3] bei einem reinen Pflichtteilsverzicht ist dies umstritten, nach hier vertretener Ansicht aber grundsätzlich ebenso zu sehen.

Der BGH hatte im Jahr 1991 über eine Anfechtung nach dem AnfG zu entscheiden.[4] Ein Pflichtteilsverzicht wurde in diesem Zusammenhang nicht als "Gegenleistung für die Übertragung wertvollen Grundbesitzes" gesehen. Mit der erbrechtlichen Problematik setzte sich der BGH aber nicht auseinander. In einem Urteil aus dem Jahr 1985 hatte der BGH noch auf das uneinige Schrifttum verwiesen und die Frage ausdrücklich offengelassen.[5] Im Jahr 2008 entschied der BGH, dass ein Entgelt bzw. eine angemessene Abfindung für einen Erbverzicht nicht der Pflichtteilsergänzung unterliegt.[6] Dies bestätigte er im Jahr 2015 für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht.[7] Dabei muss die Abfindung in etwa der Erberwartung entsprechen.

 

Rz. 9

Ob dies auch auf den Pflichtteilsverzicht übertragen werden kann, ist auch nach der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2015, in der nicht näher differenziert wurde, fraglich.[8] Nach hier vertretener Ansicht ist das nicht möglich. Wirtschaftlich gibt der Pflichtteilsberechtigte seine Teilhabe am Nachlass regelmäßig auf, da der Erblasser meist beabsichtigen wird, ihn zu enterben. Jedenfalls wenn die Abfindung dem Wert des Pflichtteilsanspruchs entspricht, sollte sie daher keinen Anspruch nach § 2325 BGB auslösen. Das kann allerdings nur gelten, wenn die Parteien tatsächlich eine Entgeltlichkeit wollten, also die Gegenleistung nicht nur zur Minderung des Nachlasswertes in den Vertrag aufnahmen, sondern zumindest beabsichtigt war, den Verzichtenden auc...

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