Rz. 34

Ein geschiedener Ehegatte des Erblassers kann unter den Voraussetzungen des § 1586b BGB Unterhaltsansprüche gegen die Erben geltend machen. Diese Norm gilt für seit dem 1.7.1977 geschiedene Eheleute.[37] Die Forderung ist jedoch auf den fiktiven Pflichtteil des geschiedenen Ehegatten begrenzt.

 

Rz. 35

Die Pflichtteilsquote ist nach § 2310 BGB zu ermitteln. Diejenigen, die einen Erbverzicht erklärt haben, werden nicht mitgezählt. Der fiktive Pflichtteil des geschiedenen Ehegatten erhöht sich also. Ein Pflichtteilsverzicht bleibt ohne Einfluss auf den fiktiven Pflichtteil.

 

Rz. 36

Heftig umstritten ist, welche Wirkung ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht eines (später) geschiedenen Ehegatten auf den Anspruch aus § 1586b BGB hat.[38]Bergschneiders Ansicht ist zuzustimmen, wonach zunächst immer die zu prüfende Erklärung ausgelegt werden sollte.[39] Wurde der Verzicht etwa ohne Gegenleistung allein zur gemeinsamen Begünstigung der Kinder erklärt, kann dies eher für einen mutmaßlichen Willen sprechen, nach dem der Unterhaltsanspruch nicht betroffen sein sollte.

 

Rz. 37

Ist eine Auslegung nicht möglich, muss im Streit um den Zweck der Norm § 1586b BGB Stellung bezogen werden:[40]

Entweder wird der Anspruch aus § 1586b BGB als Ausgleich für das durch die Scheidung weggefallene Erbrecht gesehen, dann entfällt mit dem Verzicht auch der Unterhaltsanspruch, oder
§ 1586b BGB wird als Unterhaltsanspruch qualifiziert und der Pflichtteil wird danach nur zur höhenmäßigen Begrenzung erwähnt. Ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht erfasst dann nicht den Anspruch nach § 1586b BGB.[41]
 

Rz. 38

Die Einordnung der Norm in das Familienrecht spricht für die zweite Meinung; die sich dann aber ergebende Besserstellung des geschiedenen gegenüber dem verheirateten Ehegatten, der auf den Pflichtteil verzichtet hat, spricht für die erste – überwiegende – Meinung. Nach hier vertretener Ansicht bleibt der Anspruch aus § 1586b BGB auch bei einem Erb- oder Pflichtteilsverzicht bestehen. Eine Besserstellung des geschiedenen Ehegatten wird oft dadurch deutlich relativiert, dass der verheiratete Ehegatte eine Witwen- oder Witwerversorgung erhält. Zudem kann eine wirtschaftliche Folge nicht die Gesetzessystematik außer Kraft setzen. Mit der Regelung des § 1586b BGB hat der Gesetzgeber eine unterhaltsrechtliche Wertung getroffen. Rechtsprechung hierzu ist allerdings nicht ersichtlich. In der Praxis kann durch eindeutige Gestaltung, also Formulierungen, vorgesorgt werden.[42]

[37] Für Altfälle vgl. Bergscheider, FamRZ 2003, 1049, 1057 m.w.N.
[38] Zu sogar verfassungsrechtlichen Bedenken: Zacher-Röder/Grimm-Hanke, FPR 2011, 264.
[39] FamRZ 2003, 1049, 1056.
[40] Vgl. auch Bonefeld/Wachter/Kurze, Der Fachanwalt, § 19 Rn 41 m.w.N.
[41] In diese Richtung auch über den "Umweg" der Frage nach der "Infektion" eines Pflichtteilsverzichtes durch nichtige ehevertragliche Regelungen: Kühle, ZErb 2013, 221.
[42] Vgl. etwa Heiß, NZFam 2016, 485, 489; Horndasch, NJW 2015, 2168, 2169; ders., FuR 2011, 652, 654.

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