Rz. 47

Die wirksame Pflichtteilsentziehung bewirkt, dass sämtliche Ansprüche des Betroffenen, die ihm das Pflichtteilsrecht in den §§ 2303 ff. BGB gewährt, entfallen. Dies schließt auch den Anspruch auf den Zusatzpflichtteil, §§ 2305, 2307 BGB, den Pflichtteilsergänzungsanspruch, §§ 2325, 2329 BGB, und den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch, § 2314 BGB,[144] mit ein. Verfehlungen i.S.d. § 2333 BGB berechtigen den Erblasser darüber hinaus auch zum Rücktritt vom Erbvertrag, § 2294 BGB, sowie zur Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, § 2271 Abs. 2 BGB. Auch die Entziehung des Anteils an einer fortgesetzten Gütergemeinschaft, § 1513 BGB, ist möglich.[145]

 

Rz. 48

Ordnet der Erblasser eine Pflichtteilsentziehung an, ist hierin regelmäßig auch gleichzeitig eine Enterbung des Pflichtteilsberechtigten zu sehen.[146]

 

Rz. 49

Wird die Pflichtteilsentziehung auf Abs. 1 Nr. 4 gestützt und liegt im Zeitpunkt des Todes bzw. der Pflichtteilsgeltendmachung eine rechtskräftige Verurteilung noch nicht vor, steht die Berechtigung und damit die Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung noch nicht endgültig fest. Im Hinblick darauf, dass die zivilrechtliche Sanktion (Pflichtteilsentziehung) nach dem Willen des Gesetzgebers an die strafrechtliche Verurteilung anknüpft, ist es konsequent, auch insoweit die Unschuldsvermutung gelten zu lassen. Dementsprechend ist der Betroffene bis zur Rechtskraft seiner Verurteilung noch als pflichtteilsberechtigt anzusehen. Die Pflichtteilsentziehung steht also bis zum Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung einer Pflichtteilsgeltendmachung nicht entgegen. Soweit der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil oder einen Teil davon tatsächlich erhält, bevor seine Verurteilung rechtskräftig wird, hat er anschließend das Erhaltene zurückzuerstatten.[147] In der Praxis dürfte diesem Problem allerdings durch eine Aussetzung des Verfahrens nach § 149 ZPO begegnet werden und das Verfahren über die Pflichtteilsgeltendmachung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Strafprozess ausgesetzt werden können.

[144] Staudinger/Olshausen [2015], vor § 2333 Rn 31; Soergel/Dieckmann, Vor § 2333 Rn 5; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2333 Rn 41; Palandt/Weidlich, § 2336 Rn 6; Erman/Röthel, § 2336 Rn 3.
[145] Vgl. Soergel/Dieckmann, § 2333 Rn 21; BeckOGK/Rudy, § 2333 Rn 47.
[146] BayObLG NJWE-FER 2000, 180 = FamRZ 2000, 1459; BeckOGK/Rudy, § 2333 Rn 48; Staudinger/Olshausen [2015], vor § 2333 Rn 13; MüKo/Lange, § 2336 Rn 16.
[147] Vgl. hierzu auch Lange, in: Bonefeld/Kroiß/Lange, Erbrechtsreform, § 13 Rn 47; Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 53.

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