Rz. 8

Hat ein Pflichtteilsberechtigter sowohl einen Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil als auch auf den Ergänzungspflichtteil und erfährt er zu unterschiedlichen Zeitpunkten von den verschiedenen Beeinträchtigungen, so stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebend ist:

Hat der Berechtigte zunächst von der beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung Kenntnis erlangt, beginnt der Fristlauf für den ordentlichen Pflichtteil mit Kenntnis der Verfügung von Todes wegen und Kenntnis des Eintritts des Erbfalls. Die Verjährungsfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch beginnt unabhängig hiervon erst dann, wenn der Berechtigte auch Kenntnis von der ihn beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden erlangt hat. Die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten muss sich immer auf diejenige Verfügung beziehen, durch die er beeinträchtigt wird mit der Folge, dass bei mehreren Schenkungen je nach Zeitpunkt der Kenntniserlangung unterschiedliche Verjährungsfristen in Lauf gesetzt werden.[15]

Hat der Pflichtteilsberechtigte zuerst von der lebzeitigen Zuwendung und erst anschließend von der letztwilligen Verfügung Kenntnis erlangt, so beginnt die Verjährungsfrist für beide Ansprüche nicht vor der Erlangung der Kenntnis von der letztwilligen Verfügung zu laufen.[16] Verjährungsfristen von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen können also zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu laufen beginnen. Es ist möglich, dass der Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil bereits verjährt ist, während der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung noch gar nicht geltend gemacht werden kann.[17] Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann jedoch niemals vor dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch verjähren.[18]

 

Rz. 9

Für den Beginn der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs kommt es nicht auf die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten über die Zusammensetzung und den Wert des Nachlasses an. Die Verjährungsfrist beginnt nicht erneut zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte erst später von der Zugehörigkeit eines weiteren Gegenstandes zum Nachlass erfährt. § 2313 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 3 BGB ist nicht entsprechend anzuwenden.[19]

 

Rz. 10

Die Verjährungsfrist beginnt allerdings zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte von den anspruchsbegründenden Umständen keine Kenntnis erlangt hat, diese aber ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Hiervon ist auszugehen, wenn der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis über den Tod des Erblassers erlangt hat, es aber unterlässt, sich Kenntnisse über die Erbfolge zu verschaffen.[20] Der Pflichtteilsberechtigte ist allerdings nicht verpflichtet, sich in regelmäßigen Abständen über den möglichen Tod seiner Eltern zu informieren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er Kenntnis von einer tödlichen Erkrankung seiner Eltern oder eines Elternteils hat.[21]

[15] Staudinger/Olshausen, § 2332 Rn 16.
[16] BGH NJW 1972, 760; BGHZ 95, 76, 80.
[17] Soergel/Dieckmann, § 2332 Rn 21.
[18] BGH NJW 1972, 760.
[21] Burandt/Rojahn/Horn, § 2332 Rn 10.

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