Rz. 8

Für die Berechnung der Einrede ist auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen. Der Wert des Pflichtteils wird zum Zeitpunkt des Erbfalls ermittelt, § 2311 BGB. Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch kann wegen des Niederstwertprinzips des § 2325 Abs. 2 BGB allenfalls noch auf den Wert im Zeitpunkt der Schenkung abgestellt werden. Umstände aus der Zeit nach dem Erbfall sind i.d.R. nicht erheblich.[16] Kommt es nach dem Erbfall zu einem Wertverfall des Nachlasses, hätte der Erbe jedoch die Pflichtteilsergänzungsansprüche Dritter zum Zeitpunkt des Erbfalls erfüllen können, so ist fraglich, ob er auch in diesem Fall seinen konkreten Pflichtteil verteidigen darf.

 

Rz. 9

Nach der Rspr. des BGH ist dies der Fall.[17] Der Erbe kann entsprechend § 1990 BGB die Dürftigkeitseinrede erheben und darf seinen Gesamtpflichtteil vorneweg aus dem Nachlass entnehmen, §§ 1978 Abs. 3, 1991 Abs. 1 BGB. Nach dieser Rspr. des BGH ist der Nachlass bereits dürftig, wenn seine Werthaltigkeit gerade noch zur Befriedigung des Gesamtpflichtteils des pflichtteilsberechtigten Erben ausreicht. Die Rspr. des BGH ist mit dem Stichtagsprinzip des § 2311 BGB nicht zu vereinbaren, nach welchem Wertveränderungen des Nachlasses grundsätzlich in den Risikobereich des Erben fallen. Wertschwankungen wirken sich auf die Höhe des ordentlichen Pflichtteils somit nicht aus. Die Rspr. des BGH führt zu einer Ungleichbehandlung der "Haftung des pflichtteilsberechtigten Erben in Bezug auf ordentlichen Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsanspruch". Der pflichtteilsberechtigte Erbe könnte die Durchsetzbarkeit der Pflichtteilsergänzungsansprüche dritter Personen durch Einflussnahme auf den Nachlass manipulieren.[18] Wertsteigerungen des Nachlasses haben keinen Einfluss auf Umfang und Bestehen der Einrede.[19]

[16] Soergel/Dieckmann, § 2328 Rn 9.
[17] BGHZ 85, 274, 287 = FamRZ 1983, 377 = NJW 1983, 1485.
[18] Soergel/Dieckmann, § 2328 Rn 8.
[19] Vgl. Soergel/Dieckmann, § 2328 Rn 7; Staudinger/Olshausen, § 2328 Rn 10; Schindler, Pflichtteilsberechtigter Erbe, Rn 654 f.

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