Gesetzestext

 

(1)1Hat der Pflichtteilsberechtigte selbst ein Geschenk von dem Erblasser erhalten, so ist das Geschenk in gleicher Weise wie das dem Dritten gemachte Geschenk dem Nachlass hinzuzurechnen und zugleich dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen. 2Ein nach § 2315 anzurechnendes Geschenk ist auf den Gesamtbetrag des Pflichtteils und der Ergänzung anzurechnen.

(2)Ist der Pflichtteilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers, so findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Grundsätzlich steht dem Pflichtteilsergänzungsberechtigten der Gesamtpflichtteil unter Einbeziehung sämtlicher lebzeitiger Schenkungen des Erblassers zu. § 2327 BGB regelt den Fall, dass der Erblasser nicht nur Dritte ergänzungserheblich beschenkt hat, sondern auch den Pflichtteilsberechtigten selbst. Nach dieser Vorschrift werden sog. Eigengeschenke dem Nachlass hinzugerechnet. Der Ergänzungsberechtigte muss sich diese Geschenke auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen lassen.[1] Bis zur Höhe der Eigenschenkung kann keine Pflichtteilsergänzung verlangt werden.[2] So wird vermieden, dass der Ergänzungsberechtigte am Vermögen des Erblassers über seinen Gesamtpflichtteil hinaus beteiligt wird.[3] Die Anrechnung erfolgt ohne besondere Anordnung des Erblassers.

[1] Kretschmar, Recht 1912, 39 ff.
[2] OLG Schleswig BeckRS 2013, 08631.
[3] Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 1.

B. Tatbestand

I. Berücksichtigungsfähige Eigengeschenke

 

Rz. 2

Grundvoraussetzung für die Anrechnung ist, dass neben dem Ergänzungsberechtigten noch ein Dritter beschenkt wurde.[4] Mehrere Geschenke an den Pflichtteilsberechtigten sind insgesamt dem Nachlass hinzuzurechnen und i.S.d. Vorschrift zu berücksichtigen.[5] Als Eigengeschenk kommt jede Art von Schenkung in Betracht, mithin auch gemischte Schenkungen. Pflicht- und Anstandsschenkungen i.S.d. § 2330 BGB bleiben unberücksichtigt.[6] Auch ehebezogene Zuwendungen, insbesondere im Zusammenhang mit Erwerb, Errichtung oder Erhaltung des Familienwohnheims, werden als Eigengeschenke bewertet. Dies gilt selbst dann, wenn die Zuwendung auch zur Vermögensverlagerung aus Haftungsgründen erfolgte oder der zweckmäßigen Verteilung des Ehevermögens, z.B. zur Erreichung steuerlicher Vorteile (Verlagerung der Einkunftsquellen), diente.[7] Bzgl. sämtlicher Eigengeschenke ist der Ergänzungsberechtigte zur Auskunftserteilung verpflichtet.[8]

 

Rz. 3

Eine unbenannte Zuwendung unter Ehegatten ist im Rahmen des Erbrechts grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln, sofern sie sich nur als objektiv unentgeltlich erweist. Dies gilt auch im Rahmen des § 2327 BGB, sofern der Pflichtteilsberechtigte ein Eigengeschenk erhalten hat. Die pflichtteilsberechtigte Ehefrau muss sich daher im Rahmen ihrer Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB als Zuwendung ("Geschenk") i.S.d. § 2327 BGB anrechnen lassen, dass sie als hälftige Miteigentümerin des allein aus finanziellen Mitteln des Ehegatten/Erblassers erworbenen Familiengrundstücks eingetragen wurde.[9] Dies gilt ggf. auch hinsichtlich der Zinszahlungen des Erblassers für ein gemeinsam mit dem Ehegatten finanziertes Hausgrundstück.[10] Für Zuwendungen des Erblassers, die dem Pflichtteilsberechtigten über eine Familienstiftung zukommen, soll § 2327 BGB analog anwendbar sein.[11] Wird der Übernehmer bei der unentgeltlichen Übergabe eines Grundstücks durch vorweggenommene Erbfolge verpflichtet, an seine Geschwister ein Gleichstellungsgeld zu bezahlen, so liegt hierin keine Schenkung i.S.d. §§ 516, 2327 Abs. 1 BGB. Nur dann, wenn das Gleichstellungsgeld später tatsächlich ausgezahlt wird, sind die Geschwister wirtschaftlich betrachtet aus dem Vermögen des Erblassers bereichert.[12] Besteht nach § 528 BGB oder nach § 2287 BGB eine Rückgabeverpflichtung, so darf keine Anrechnung auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch erfolgen.[13]

[4] Soergel/Dieckmann, § 2327 Rn 2; Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 6.
[5] Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 6.
[6] BGH FamRZ 1982, 165.
[7] Vgl. Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 130.
[8] BGH NJW 1964, 1414.
[9] Anschluss BGH NJW 1992, 564; LG Ellwangen ZEV 2009, 531.
[11] RGZ 54, 399; Soergel/Dieckmann, § 2327 Rn 3; Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 12.
[13] Palandt/Weidlich, § 2327 Rn 1; MüKo/Lange, § 2327 Rn 3.

II. Person des Schenkers

 

Rz. 4

Der Pflichtteilsberechtigte muss grundsätzlich vom Erblasser beschenkt worden sein. Im Rahmen von Berliner Testament, § 2269 BGB, oder entsprechend gestaltetem Ehegattenerbvertrag, § 2280 BGB, gilt ein "enger Erblasserbegriff". Eigengeschenke sind insoweit nur Schenkungen des Erblassers selbst. Der Anrechnung unterfallen nicht Geschenke, die vom anderen Ehegatten an den Pflichtteilsberechtigten gemacht wurden.[14] Im "Schlusserbfall" sind anrechnungspflichtig i.S.d. Vorschriften nur Geschenke des länger lebenden Ehegatten und nicht auch solche, die vom Erstversterbenden stammen. Geschenke des Erstversterbenden sind bereits nach dessen Tod zu berücksichtigen,[15] und zwar wohl unabhängig davon, ob es sich um "...

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