Rz. 9

Soweit Anrechnungs- und Ausgleichungspflichten gem. §§ 2315 ff. BGB nicht bestehen, sind dem Nachlass zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gem. Abs. 1 S. 1 sämtliche Eigengeschenke und sonstige ergänzungspflichtige Schenkungen des Erblassers hinzuzurechnen, als wären sie noch im Nachlass vorhanden. Von dem sich so errechnenden Ergänzungspflichtteil ist anschließend das Eigengeschenk abzuziehen.[26]

 

Rz. 10

Auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein Eigengeschenk des Anspruchstellers auch dann anzurechnen, wenn es sich hierbei um eine gemischte Schenkung handelt. Eine solche liegt vor, wenn ein Grundstück übertragen wird, dessen Wert die vereinbarte Gegenleistung in Form einer Rentenverpflichtung erheblich übersteigt. Bei der Ermittlung des Werts der Grundstücksübertragung ist ein Pachterlös werterhöhend und ein Nießbrauchsvorbehalt des Erblassers wertmindernd zu berücksichtigen.[27]

 

Rz. 11

Wegen eines seit dem Zeitpunkt der Zuwendung evtl. eingetretenen Kaufkraftschwundes ist der seinerzeitige Wert entsprechend der allg. Geldwertentwicklung zu bereinigen.[28] Von dem sich errechnenden Ergänzungspflichtteil ist das Eigengeschenk in Abzug zu bringen.

 

Beispiel

Der Nachlass beträgt 30.000 EUR. Erblasser E hat seinen Freund F zum Alleinerben eingesetzt. Sein einziger Sohn S hat 10.000 EUR als Geschenk lebzeitig erhalten. Ein weiteres Geschenk hat D erhalten, und zwar i.H.v. 20.000 EUR.

Der ordentliche Pflichtteil des S beträgt 15.000 EUR (30.000 EUR : 2). Der Gesamtpflichtteil beträgt (30.000 EUR + 10.000 EUR + 20.000 EUR) : 2 = 30.000 EUR. Der Ergänzungspflichtteil beträgt 15.000 EUR (30.000 EUR Gesamtpflichtteil – 15.000 EUR ordentlicher Pflichtteil).

Auf den Ergänzungspflichtteil muss sich S gem. Abs. 1 S. 1 sein Eigengeschenk i.H.v. 10.000 EUR anrechnen lassen. Er kann mithin noch 5.000 EUR Ergänzungspflichtteil verlangen. Hierneben steht ihm noch der ordentliche Pflichtteil i.H.v. 15.000 EUR zu.

Stehen mehreren Pflichtteilsberechtigten Ansprüche nach § 2325 oder § 2326 BGB zu und hat jeder von ihnen eine Eigenschenkung erhalten, sind sämtliche Schenkungen dem Nachlass hinzuzurechnen. Allerdings ist jedem Pflichtteilsberechtigten nur jeweils sein Geschenk auf die Ergänzung anzurechnen.[29]

 

Rz. 12

Übersteigt das Eigengeschenk den Ergänzungspflichtteil, entfällt der Anspruch auf eine Pflichtteilsergänzung. Der "Mehrbetrag" muss nicht erstattet werden.[30] Eine Anrechnung auf den ordentlichen Pflichtteil erfolgt nicht, da sonst die Verweisung auf § 2315 BGB bedeutungslos würde.[31] Bei unzureichendem Nachlass kann der beschränkte Pflichtteilsberechtigte aber nach § 2329 BGB in Anspruch genommen werden.[32]

 

Rz. 13

Sofern der Nachlass nicht überschuldet ist, kann der Ergänzungspflichtteil auch ermittelt werden, indem sämtliche Geschenke addiert werden. Dies ist möglich, da die Eigengeschenke nur auf den Ergänzungspflichtteil anzurechnen sind. Von der Summe sind die Eigengeschenke abzuziehen. Nach dieser Rechenmethode lässt es sich i.d.R. einfacher rechnen.[33]

[26] MüKo/Lange, § 2327 Rn 8.
[27] Anschluss BGH, 27.4.1997 – IV ZR 132/93, BGHZ 125; OLG Koblenz OLGR Koblenz 2005, 113 ff.
[28] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 133.
[29] MüKo/Lange, § 2327 Rn 8.
[30] Soergel/Dieckmann, § 2327 Rn 7; MüKo/Lange, § 2327 Rn 1.
[31] Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 17.
[32] Palandt/Weidlich, § 2327 Rn 2; MüKo/Lange, § 2327 Rn 1.
[33] Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 19.

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