Rz. 19

Der Schenkungscharakter von Abfindungsleistungen, die im Gegenzug für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht geleistet werden, ist bis heute umstritten.[87]

 

Rz. 20

Für den Erbverzicht hat der BGH[88] nunmehr allerdings – ohne die Frage der Entgeltlichkeit ausdrücklich zu beantworten – klargestellt, dass wegen einer Abfindung, die ein weichender Abkömmling für den Verzicht auf sein gesetzliches Erbrecht vom Erblasser erhält, einem weiteren Abkömmling grundsätzlich kein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen könne, da sich seine Pflichtteilsquote bereits nach § 2310 S. 2 BGB erhöhe und daher eine doppelte pflichtteilsrechtliche Berücksichtigung der geleisteten Abfindung nicht in Betracht komme. Ein Ergänzungsanspruch sei nur dann bzw. insoweit denkbar, als die Leistung des Erblassers an den Verzichtenden über eine angemessene Abfindung für den Erbverzicht hinausgehe.[89] Insoweit sei auf den Wert des potentiellen Erbteils abzustellen, nicht allein auf den Wert des dem Verzichtenden voraussichtlich zustehenden Pflichtteilsanspruchs.[90] Dieser Sichtweise des BGH ist zuzustimmen.[91]

 

Rz. 21

Auf für einen Pflichtteilsverzicht gewährte Abfindungen sind die vorstehend geschilderten Erwägungen aber nicht übertragbar.[92] Denn im Falle des Pflichtteilsverzichts gilt § 2310 S. 2 BGB nicht. Die Erb- bzw. Pflichtteilsquoten der übrigen gesetzlichen Erben bzw. der Pflichtteilsberechtigten erfahren hier gerade keine Veränderung. Darüber hinaus bleibt der Verzichtende weiterhin als gesetzlicher Erbe erbberechtigt. Vor diesem Hintergrund ist § 2325 BGB in Fällen des Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung uneingeschränkt anwendbar.[93] Der Umfang des Ergänzungsanspruchs richtet sich grundsätzlich nach der Überlegung, welchen Wert der Nachlass ohne Zahlung der Abfindungsleistung gehabt hätte.[94] Die Abfindung für einen Pflichtteilsverzicht unterliegt daher im Ergebnis der Pflichtteilsergänzung, soweit es sich nicht um eine – angemessene – Ausstattung i.S.v. § 1624 BGB handelt.[95]

 

Rz. 22

Leistungen zur Herbeiführung eines vorzeitigen Erbausgleichs des nichtehelichen Kindes stellten aber nach einhelliger Meinung keine Schenkungen dar, und zwar selbst insoweit nicht, als das nichteheliche Kind unter Umständen mehr erhielt als der Pflichtteilsberechtigte.[96] Mit Wirkung v. 1.4.1998 ist der vorzeitige Erbausgleich entfallen (Art. 1 u. 8 ErbGleichG v. 16.12.1997),[97] so dass sich dieses Problem nur noch in "Altfällen" auswirken kann.

[87] Für Entgeltlichkeit: Lange/Kuchinke, § 37 X 2 f.; Kipp/Coing, § 82 VI; Otta, Vorausleistungen auf den Pflichtteil, 2000, S. 64 ff.; für grundsätzliche Unentgeltlichkeit: Speckmann, NJW 1970, 117 ff.; Sostmann, MittRhNotK 1976, 479, 497; Staudinger/Olshausen [2006], § 2325 Rn 7; Staudinger/Schotten [2010], § 2346 Rn 122 ff.; differenzierend: Haegele, BWNotZ 1971, 39; Mauch, BWNotZ 1995, 88; Soergel/Dieckmann, § 2325 Rn 18. Vgl. zum Streitstand ausführlich Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 69 m.w.N.
[88] BGH ZEV 2009, 77, 78 = NJW 2009, 1143 ff.
[89] BGH ZEV 2009, 77, 78 mit Verweis auf OLG Hamm ZEV 2000, 277 f.
[90] BGH ZEV 2009, 77, 78.
[91] Vgl. auch Staudinger/Olshausen [2015], § 2325 Rn 9; Speckmann, NJW 1970, 117; OLG Hamm ZEV 2000, 277; vgl. ausführlich BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 76.
[92] BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 77.
[93] Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2325 Rn 61.
[94] Vgl. auch Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 69.
[95] MüKo/Lange, § 2325 Rn 28; BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 77.
[96] Staudinger/Olshausen [2015], § 2325 Rn 11.
[97] BGBl I 1997, S. 2968.

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