Rz. 22
Abs. 4 ist nicht anwendbar, wenn ausgleichungspflichtige Zuwendungen mit solchen zusammentreffen, die nur anrechnungspflichtig sind. In diesem Fall sind die Anrechnungs- und Ausgleichungsregeln zu beachten,[37] was bzgl. der einzelnen Beteiligten mitunter zu verschachtelten Berechnungsvorgängen führen kann.[38]
Beispiel*
Erblasser E hinterlässt seine Ehefrau F und seine beiden Kinder A und B; die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft – E setzt seine Ehefrau F zur Alleinerbin ein. A hat einen Vorempfang i.H.v. 10.000 EUR erhalten, der auf seinen Pflichtteil angerechnet werden soll; B hat ebenfalls einen Vorempfang i.H.v. 10.000 EUR erhalten, der ausgleichungspflichtig ist.
Der Nachlasswert beträgt 100.000 EUR.
Berechnung des Pflichtteils von B erfolgt unabhängig davon, ob A sich seinen Vorempfang anrechnen lassen muss oder nicht.
Ausgangsnachlass:
100.000 EUR – 50.000 EUR (Erbteil des Ehegatten) = 50.000 EUR.
Ausgleichungsnachlass:
50.000 EUR + 10.000 EUR = 60.000 EUR.
Hiervon ½ = 30.000 EUR (Ausgleichungserbteil) – 10.000 EUR (Vorempfang) = 20.000 EUR.
Ausgleichungspflichtteil des B:
20.000 EUR : 2 = 10.000 EUR
Bei der Berechnung des Pflichtteils von A ist zu beachten, dass dieser einerseits einen Vorteil aus der Ausgleichung des Vorempfangs von B zieht, und zum anderen, dass bei der Anrechnung der eigenen Zuwendung diese vorher dem Nachlass hinzuzurechnen ist. In das Anrechnungsverfahren wird mithin das Ausgleichungsverfahren eingeschoben.
Zunächst ist der um die anzurechnende, nicht auszugleichende Zuwendung erhöhte Gesamtnachlass festzustellen:
100.000 EUR + 10.000 EUR = 110.000 EUR
110.000 EUR : 2 = 55.000 EUR.
Ausgleichungsnachlass:
55.000 EUR + 10.000 EUR = 65.000 EUR
65.000 EUR : 2 = 32.500 EUR
Ausgleichungspflichtteil für A: 32.500 EUR : 2 = 16.250 EUR – 10.000 EUR = 6.250 EUR
* Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 55.
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