Rz. 14

Einen in der Literatur umstrittenen Sonderfall stellt die Behandlung von Hypotheken, Sicherungsgrundschulden, Pfandrechten und Bürgschaften dar. Diesbezüglich werden im Wesentlichen zwei unterschiedliche Ansätze vertreten:

Nach einer Ansicht[62] unterfallen solche Sicherungsrechte den Regelungen des Abs. 2, so dass sie (zunächst) nicht als Verbindlichkeiten anzusetzen sein sollen.[63] Gleiches gilt für die sich hieraus ergebende Haftungsgefahr. Erst wenn sich später tatsächlich zeigt, ob und in welcher Höhe der Erbe als Sicherungsgeber in Anspruch genommen wird, erfolgt eine Korrektur der Pflichtteilsberechnung und ggf. auch bereits geleisteter Pflichtteilszahlungen.

Nach der Gegenansicht mindern solche Sicherungsrechte den Nachlasswert, soweit sie valutiert sind.[64]

Einigkeit besteht im Übrigen nach beiden Auffassungen, dass bei Haftung für fremde Schuld prinzipiell ein Freistellungsanspruch des Sicherungsgebers (Erblassers) als Forderung zu aktivieren und unter Berücksichtigung seiner Realisierbarkeit der möglichen Haftung gegenüberzustellen ist.[65]

 

Rz. 15

Richtigerweise sollten zwei verschiedene Fallkonstellationen grundsätzlich voneinander unterschieden werden, und zwar danach, wessen Verbindlichkeiten besichert werden:

Denn soweit die genannten Sicherungsrechte Verbindlichkeiten des Erblassers sichern, bilden sie keine eigenständig zu bewertenden Belastungen (weder bedingte noch unbedingte). Vielmehr stellen (bereits) die gesicherten Verbindlichkeiten die wertmindernd zu berücksichtigenden Nachlasspassiva dar. Akzessorische Sicherungsrechte (Hypotheken) können nur in Höhe der tatsächlichen Schuld verwertet werden. Und bei Sicherungsabtretung, -übereignung und -grundschuld steht einer weitergehenden Verwertung ein Rückgewähranspruch aus der Sicherungsabrede gegenüber. Würden sowohl die gesicherten Verbindlichkeiten als auch die dafür gestellten Sicherheiten jeweils gesondert berücksichtigt, führte dies zu einem ungerechtfertigten doppelten Schuldansatz zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten.[66]

 

Rz. 16

Sind die Sicherheiten aber für fremde Schulden bestellt, sind sie tatsächlich separat zu betrachten. Das gilt bereits dann, wenn es sich bei den besicherten Schulden um solche des Ehegatten des Erblassers handelt.[67]

Welchem der beiden genannten Lösungsansätze insoweit zu folgen ist, lässt sich nur schwer eindeutig beantworten, da beide dogmatisch vertretbar erscheinen. Allerdings erscheint die Anwendung von Abs. 2 als systemkonformer und damit überzeugenderer Weg,[68] weil sie weitgehend die Einschätzung zukünftiger Entwicklungen vermeidet. Allerdings belastet sie den Sicherungsgeber (Erben) mit dem Insolvenzrisiko des Pflichtteilsberechtigten, wenn dieser eine von ihm etwa geschuldete Rückzahlung (nach Inanspruchnahme aus der Sicherheit) nicht leisten kann.

[62] BGH NJW 2011, 606; Soergel/Dieckmann, § 2313 Rn 8; Staudinger/Herzog [2015], § 2313 Rn 23; vgl. auch RG JW 1906, 114.
[63] BGH NJW 2011, 606; LG Bonn v.13.4.2018 – 1 O 218/11, BeckRS 2018, 31392; KG ZErb 2011, 52; a.A. noch OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 727.
[64] Vgl. hierzu Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 224 m.w.N.
[65] BGH NJW 2011, 606; OLG Nürnberg v. 6.3.2009 – 5 U 1731/08, BeckRS 2011, 28685; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 8; Staudinger/Herzog [2015], § 2313 Rn 23; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 224.
[66] Vgl. auch Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 225.
[67] Die Besonderheiten bei Verbindlichkeiten im Rahmen einer Gütergemeinschaft sollen im Folgenden allerdings außer Betracht bleiben; hier ist eine mehr ganzheitliche Betrachtung erforderlich, soweit es sich um Gesamtgutsverbindlichkeiten (§§ 1437, 1459 BGB) handelt; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 41.

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